Stand: 15.12.2007

      
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150 Jahre Elementanalytik im Hessischen Landwirtschaftlichen Untersuchungswesen
(R.Ellinghaus, Festschrift '150 Jahre Lanwirtschaftliches Untersuchungs- und Forschungswesen in Hessen' 10/2007,
ISBN: 3-9806860-9-4)

Begriffe

Überschriften sollen kurz und doch umfassend sein, ein meist unerfüllbares Anliegen. Der Begriff ‚Elementanalytik’ ist eher der modernen Instrumentellen Analytik entlehnt, ist er auch der richtige, das anorganisch-analytische Schaffen im Landwirtschaftlichen Untersuchungswesen von anderthalb Jahrhunderten abzubilden?
„Nun, sicher“, sagt der nicht spezialisierte Anorganiker, „im Fokus der Anorganischen Chemie stehen schließlich die chemischen Elemente.“
„Langsam“, sagt der Analytiker aus dem modernen elementanalytischen Labor, „Elementanalytik ist für mich atomspektrometrisches Messen. Bei den klassischen Methoden waren chemische Verbindungen die Analyten, das nenne ich eher Molekül- als Elementanalytik.“
„Ich bin mir nicht sicher“, sagt ein Historiker, „früher war doch eher von Nähr- und Mineralstoff- statt Elementanalytik die Rede, und heute geht es doch meist um Schwermetalle, Spuren oder Kontaminanten.“
„Aber“, sagt ein anderer Historiker, „haben nicht bedeutende Chemiker bestimmte anorganische Analysenverfahren schon vor mehr als 150 Jahren Elementaranalysen genannt, ohne, dass sie bis heute jemand korrigiert hätte?“
Recht haben sie aus ihrem jeweiligen Blickwinkel alle. Da das so ist, ist ‚Elementanalytik’ auch ein geeigneter Oberbegriff. Die kleine fiktive Diskussion soll in der Folge helfen, die wissenschaftlichen, aber auch politisch-gesellschaftlichen Felder, die von der anorganisch-landwirtschaftlichen Analytik tangiert werden, als zusammengehörig und als deren Facetten zu verstehen.

Wegbereiter

Die Analytische Chemie mit ihrer Frage nach der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung von Stoffen ist die Disziplin, die die Chemie aus der Alchemie heraus begründete und zu einer Wissenschaft machte. Die Agrikulturchemie und hier im wesentlichen die anorganische Agrikulturchemie ist die Disziplin, die die Analytische Chemie erstmals zur Lösung eines großen gesellschaftlichen Problems befähigte, der bedrohlichen Ernährungssituation im 19. Jahrhundert.
Der wissenschaftliche Ruhm wurde dabei zunächst nur Justus von Liebig (1803-1873) (Abb.1) zuteil, er galt über ein Jahrhundert als alleiniger Begründer der Agrikulturchemie und der Lehre der Mineralstoffernährung der Pflanzen. Heute kennt der Chemiker im landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungswesen auch Carl Sprengel (1787-1859) (Abb.2), der über ein Jahrzehnt vor Liebig publizierte und dabei auch schon das Minimumgesetz postulierte, nach dem derjenige Nährstoff unter mehreren das Pflanzenwachstum begrenzt, der vom Bedarf der Pflanze her zuerst zur Neige geht.
Beide Wissenschaftler teilen sich nun die Ehre, der Mineraldüngung mit ihren epochalen Auswirkungen auf die Ernährung der Weltbevölkerung zum Durchbruch verholfen zu haben.
Als Element mit dem größten Düngebedarf erwies sich Phosphor (P). Pflanzen nehmen es aus dem Boden anionisch in Form von gelösten Phosphaten, den Salzen der Phosphorsäure, auf. Unter Agrarwissenschaftlern bürgerte es sich ein, deshalb von einem Mangel an Phosphorsäure zu sprechen, obwohl die Phosphormineralien, mit denen gedüngt wurde, in ihrer chemischen Struktur sehr wohl als Phosphate bekannt waren und auch so bezeichnet wurden. Noch heute ist es traditionell üblich, den wie immer auch bestimmten Gehalt an Phosphor in Düngern und Böden auf das Anhydrid der Phosphorsäure, P2O5 (di-Phosphorpentoxid) zu beziehen.
Der Mangel an Phosphor bewirkte nach dem Minimumprinzip, dass auch andere Nährstoffelemente, allen voran Stickstoff (N) und Kalium (K) nicht hinreichend von den Pflanzen ausgenutzt werden konnten, sofern ein Angebot von seiten der Böden überhaupt bestand. Pflanzen nehmen Stickstoff in Form seiner gelösten Salze anionisch über Nitrate (Salze der Salpetersäure) u.a. oder kationisch über Ammoniumsalze (Salze des Ammoniaks) auf. Daneben sind bestimmte Pflanzen (Leguminosen) auch in der Lage, Stickstoff über einen bakteriellen Prozess direkt aus der Luft zu assimilieren. Als Bezugsgröße etablierte sich in Düngern der elementare N-Gehalt. Kalium wird von Pflanzen kationisch über gelöste Kaliumsalze aufgenommen. Als Bezugsgröße wurde hier analog dem Phosphor mit K2O (di-Kaliumoxid, Kurzbezeichnung: Kali) ein Anhydrid gewählt, das der Kalilauge.
  

Abb.1 Justus von Liebig

Abb.2 Carl Sprengel

Liebig’s Gesamtwerk ist für den Analytiker natürlich ungleich interessanter als das Sprengel’s und nicht auf die Agrikulturchemie beschränkt. Er war der Chemiker und Analytiker, der sich der Agrarwissenschaft zuwandte, Sprengel kam von der Agrarwissenschaft und bediente sich naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Mit ein wenig Lokalkolorit darf auch angemerkt sein, dass Liebig Hesse war und rund 30 Jahre in Hessen wissenschaftlich wirkte und lehrte, womit ihm neben seinen zahlreichen anderen Ehrungen gut und gerne auch der Status eines Ehrenmitarbeiters im Hessischen Landwirtschaftlichen Untersuchungswesen zustände. Die Gründung der Landwirtschaftlichen Versuchsstationen in Hessen erlebte er allerdings nur von fern als ‚Deserteur’ in München.
Liebig war als glänzender Experimentator bekannt und erfand zahlreiches Laborgerät. So gilt er zusammen mit Lavoisier (1743-1794) und Berzelius (1779-1848) auch als Wegbereiter der Elementaranalyse. Eine seiner Erfindungen war der unten abgebildete Fünf-Kugel- oder Kali-Apparat (Abb.3), in dem zur quantitativen Bestimmung des Elements Kohlenstoff (C) in einer Verbindung das durch Verbrennung der Verbindung aus Kohlenstoff gebildete Kohlendioxid (CO2) in Kalilauge (KOH) absorbiert werden konnte. Die Gewichtszunahme durch das sich bildende Kaliumcarbonat (K2CO3) wurde ausgewogen und erlaubte auf Grund der bekannten Zusammensetzung des Carbonats die Berechnung der Menge des absorbierten Kohlendioxids und schließlich des Kohlenstoffanteils in der Verbindung.
Über Verbrennungsanalytik wird Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Produktionsmitteln und Produkten auch heute noch bestimmt, nur das Messprinzip hat sich von einer Wägungsmethodik (Gravimetrie) zu einer später noch vorzustellenden physikalischen Messmethodik gewandelt.
Die klassische wie moderne Elementaranalyse als Teil der Elementanalytik ist beschränkt auf nichtmetallische Elemente (Abb.6), deren Verbindungen nach Oxidation, Reduktion oder Säure/Base-Reaktion gasförmige Reaktionsprodukte bilden, die sich entweder in Flüssigkeiten absorbieren und darin gravimetrisch, titrimetrisch o.a. bestimmen lassen oder einer Bestimmung in der Gasphase zugänglich sind.
Ein Verfahren besonderer Bedeutung hinsichtlich seines breitgefächerten Einsatzes in der landwirtschaftlichen Elementaranalyse damals wie heute stellt das Kjeldahl-Verfahren zur Bestimmung von Stickstoff dar. Benannt nach seinem Erfinder Johan Kjeldahl (1849-1900) basiert es auf der chemischen Umsetzung aller Stickstoffverbindungen einer Probe zu Ammoniumsalzen (NH4X), die bei Zugabe von Natronlauge Ammoniak (NH3) freisetzen, der destillativ (Abb.4) ausgetrieben, in einer schwachen Säure absorbiert und darin titrimetrisch bestimmt werden kann. Über die Menge an Ammoniak kann der Stickstoffgehalt der Probe berechnet werden.
  

Abb.3 Kali-Apparat

Abb.4 Kjehldahl-Destille

Das Kjeldahl-Verfahren erblickte 1883 das Licht der Welt. Gehen wir nun aber zunächst wieder 30 Jahre zurück, um bei der Gründung der hessischen Landwirtschaftlichen Versuchstationen dabei zu sein, und um deren anorganisch-analytisches Schaffen zu verfolgen, in dem es auch immer wieder um die Adaption neuer Verfahren und Ideen wie die eines Kjeldahls gehen wird.

Der Beginn

Chemie und Landwirtschaft waren sich bei Liebig und Sprengel begegnet. Nun bestand Bedarf an der Vermittlung der neuen Erkenntnisse an den Praktiker in der Landwirtschaft und am Ausbau des Wissens durch Angewandte Forschung in Zusammenarbeit mit der Praxis. Von Landwirtschaftlichen Versuchsstationen wurde dieses Potential erwartet, und sie wurden ab 1850 überall in Deutschland von landwirtschaftlichen Organisationen und Verbänden gegründet, so auch im Kurfürstentum Hessen-Kassel 1857 und im Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1869.
Vermittlung von Erkenntnissen geht einher mit Vertrauen schaffen in die Erkenntnisse, d.h. seriöse Beratung bedurfte der Unterstützung verlässlicher Untersuchungsergebnisse. Sie halfen einerseits dem wissenschaftlichen Landwirtschaftlichen Versuchswesen mit ergänzenden Daten, zum anderen aber dem Praktiker bei der Kontrolle, ob seine erworbenen landwirtschaftlichen Produktionsmittel auch den Deklarationen entsprachen.
Zu Anfang bestimmten eindeutig die Forschungstätigkeiten das Geschehen in den hessischen Stationen. Die Kontrolltätigkeiten weiteten sich dann aber ab den 80er-Jahren soweit aus, dass um die Jahrhundertwende Stimmen laut wurden, die forderten, beides institutionell zu entkoppeln, um der Forschung wieder breiteren Raum zu verschaffen. Aus heutiger Sicht mit dem Wissen, wie positiv sich Angewandte Forschung und Praxis schließlich beeinflussten, ist zu begrüßen, dass dies noch 100 Jahre dauern sollte.

Das erste halbe Jahrhundert

Der anorganisch-chemischen Analytik war es egal, wem sie diente, aber natürlich nahm ihre Bedeutung mit der Ausweitung der Kontrolltätigkeiten zu. Die landwirtschaftlichen Produktionsmittel, um die sie sich zunächst kümmern musste, waren die mineralischen und organisch-mineralischen Düngemittel mit den Nährelementen, die die obere Reihe der Abb.5 zeigt, und die pflanzlichen Futtermittel, bei denen sich die Analytk ganz auf den Stickstoff als Basisanalyt für die Berechnung des Rohproteins fokussierte. Rohprotein definiert die Summe aller stickstoffhaltigen Nährstoffe in organischen Futtermitteln (Eiweiße, Amide).
  

 

Abb.5 Pflanzennährstoffe

Zum Einsatz kamen schließlich die quantitativen Analysenverfahren, die heute ‚klassisch’ genannt werden: Gravimetrie (Messgröße (MG): Gewicht), Titrimetrie (Synonyme: Volumetrie, Maßanalyse) (MG: Volumen einer Flüssigkeit) und Gasvolumetrie (MG: Volumen eines Gases). Indes war die quantitative analytische Chemie bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts kaum über die ersten Anfänge hinaus, und die z.T. aufwändigen Methoden eigneten sich zwar für rein wissenschaftliche Zwecke, nicht aber für die Serienanalytik. So konzentrierte sich in den ersten Jahrzehnten die Hauptarbeit der Analytiker auf die Entwicklung serientauglicher Bestimmungsmethoden. 1888 gab dann die Gründung des ‚Verbandes landwirtschaftlicher Versuchstationen im Deutschen Reiche’, dem heutigen ‚Verband der Deutschen Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA)’ einen ganz entscheidenden synergetischen Schub für die Verbesserung und Validierung der schon in der Praxis befindlichen und die Entwicklung neuer Methoden.
Im Fokus der Düngemittelanalytik stand jahrzehntelang der Phosphor. Dabei war bedingt durch die Erkenntnis, dass es unterschiedlich schnell pflanzenverfügbare Phosphatbindungsformen gibt, auch eine differenzierte Extraktionschemie zu entwickeln und nicht nur die Frage nach dem P-Gesamtgehalt zu stellen.
In Darmstadt wurde unter der Leitung des über die Grenzen bekannten Düngungsexperten Paul Wagner (1843-1930) ein Verfahren der Fällung von citronensäurelöslichem Phosphat zur Reife entwickelt. Hierbei wurde zunächst durch Zugabe von Ammoniak (NH3) die Fällung schwerlöslicher Phosphate, z.B. des Calciums oder Eisens verhindert und dann mit Magnesiumchlorid (MgCl2) quantitativ das komplexe Doppelsalz Magnesiumammoniumphosphat (MgNH4PO4) gefällt, isoliert, zu Magnesiumpyrophosphat (Mg2P2O7) geglüht und in dieser oxidischen Form gravimetrisch bestimmt. Das Doppelsalz konnte und kann vice versa natürlich auch für eine quantitative Bestimmung von Magnesium (Mg) genutzt werden.
Auch in der kurhessischen Station, zu dieser Zeit in Marburg, wurde mit Magnesiumammoniumphosphat experimentiert und eine titrimetrische Methode entwickelt. Das Salz wurde mit überschüssiger 0,2 molarer Salzsäure umgesetzt und die nicht verbrauchte Salzsäure mit 0,2 molarer Natronlauge zurücktitriert. Als Indikator diente der Farbstoff Karminrot, der den Neutralisationspunkt von Säure und Lauge durch einen Farbumschlag von gelbbraun nach violett anzeigte. Aus der Reaktionsgleichung der Umsetzung Salz mit Säure und der nach der Titration bekannten Menge der für die Umsetzung verbrauchten Säure konnte die Menge Magnesiumammoniumphosphat und daraus der Phosphorgehalt berechnet werden.
Die Stickstoffbestimmung in Futtermitteln wurde bis zur Einführung der Kjeldahl-Methode nach Vorgaben von Jean Baptiste Dumas (1800-1884) durchgeführt. Dumas’ Name steht auch heute noch für die quantitative verbrennungsanalytische Bestimmung von Nichtmetallelementen (Abb.6) und ziert so manche gerade veröffentlichte internationale Norm. Moderne Anwendungen kommen später noch zur Sprache, beim auf dem Urverfahren von 1840 basierenden Ablauf wurde das Futtermittel zusammen mit Kupferoxid (CuO/CuO2) in einem geschlossenen System bei hohen Temperaturen verbrannt, entstehende Feuchtigkeit (per Trocknungsmittel) und entstehendes Kohlendioxid (z.B. per Kali-Apparat) aus den Verbrennungsgasen absorbiert und der allein verbleibende Stickstoff über sein Gasvolumen bestimmt.
  

 

Abb.6 Metalle und Nichtmetalle unter den Elementen

Das Kupferoxid ist Sauerstofflieferant und wird dabei zu Kupfer (Cu) reduziert, welches seinerseits die bei der Verbrennung entstandenen Stickoxide (NO, NO2 u.a.) zu Stickstoff reduziert und selbst wieder zu Kupferoxid oxidiert wird. Da das Kupferoxid am Ende unverändert vorliegt, erfüllt es die Definition eines Katalysators.Somit ist Dumas auch ein Pionier der Katalyse. Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass heutige Forscher nach wie vor auf der Suche nach geeigneten Katalysatoren für Verbrennungsprozesse sind? Deren Ziele heißen allerdings Abgasreinigung und Umweltschutz.
Bis 1890 wurden andere Probenmatrices als Düngemittel und Futtermittel elementaranalytisch nur im Rahmen von Forschungen untersucht. 1868 gab es aus der Marburger Station z.B. zwei Hauspublikationen zu Pflanzenaschen und Pflanzenfetten. In den 90er-Jahren beschäftigte man sich dann erstmalig mit Bodenanalytik.
An einer systematischen Bodenuntersuchung wie heute zum Zwecke eines optimierten Düngereinsatzes bestand damals allerdings noch kein Interesse. Eine Bodenuntersuchung galt als zu teuer für den Landwirt, man verließ sich bei der Beratung auf die vorhandene Erfahrung aus dem Landwirtschaftlichen Versuchswesen.
Eine aus den ältesten noch verfügbaren Jahresberichten der Marburger Station von 1895 bis zur Jahrhundertwende zusammengestellte Tabelle (Abb.7) zeigt den schon beachtlichen Untersuchungsumfang, die steigenden Untersuchungszahlen und die für diese Zeit typische Verteilung auf die verschiedenen Matrices. Düngemittel und Futtermittel dominierten wie schon die beiden Jahrzehnte zuvor, neu erschienen Böden und Wässer, meist Trinkwässer und Mineralwässer, aber auch Abwässer.
Obwohl - das scheint zeitlos für Jahresberichte unabwendbar zu sein - die Chronisten mit dem Zählen der Proben zumeist ihre Pflicht für erfüllt hielten und zu Analysenverfahren schwiegen, kann dem anorganisch-analytischen Schaffen doch sicher jede Düngemittel-, Futtermittel- und Bodenprobe mit einer oder mehreren Analysen zugerechnet werden. Wässer hingegen wurden überwiegend sensorisch und bakteriologisch bewertet und nur bei bestimmten Fragestellungen elementanalytisch untersucht.
  

Probenart

1895

1896

1897

1898

1899

1900

Düngemittel

717

949

1306

1542

1602

1712

Futtermittel

314

345

348

416

504

517

Boden

10

7

11

21

55

83

Wasser

320

380

278

311

255

411

Abb.7 Untersuchte Proben in Marburg 1895-1900

In der Darmstädter Station war das Probenaufkommen ähnlich. Auf Grund der bedeutenden Stellung der Düngeforschung dort gab es aber eine noch größere Präferenz der Düngemitteluntersuchungen als in Marburg. 1885 konnten durch einen Standortwechsel innnerhalb Darmstadts neue modernere Laboratorien bezogen und die Untersuchungskapazitäten ausgebaut werden. Werfen wir einmal einen Blick in ein typisches anorganisch-chemisches Laboratorium um 1900. Abb.8 zeigt uns das Darmstädter Düngemittellabor.
  

 

Abb.8 Düngemittellabor in Darmstadt um 1900

Von den 717 Marburger Düngerproben des Jahres 1895 wurde bei 573 der Phosphor-, bei 77 der Phosphor- und Stickstoff-, bei 24 der Stickstoff-, bei 20 der Calcium-, bei 15 der Kalium- und bei 8 Proben ein anderer Elementgehalt bestimmt. Dieses Muster der Bedeutung der einzelnen Nährstoffelemente bei den Düngerkontrolluntersuchungen blieb bis zum 1. Weltkrieg ziemlich unverändert.
Von den 1712 Düngerproben im Jahre 1900 erfuhren 1321 eine Phosphorbestimmung. In diesem Jahr ist erstmals auch etwas über die Anteile unterschiedlicher Probenvorbereitung zu lesen: 1067 Proben wurden mit Säure aufgeschlossen oder mit Citronensäure extrahiert, bei 248 Proben wurde der Phosphorgehalt aus einer wässrigen Extraktion bestimmt.
Der Jahresbericht von 1900 ist für den Elementanalytiker auf historischer Spurensuche aber besonders wegen erstaunlicher Mitteilungen aus der Wasseranalytik eine aufregende Fundgrube. In 7 Trinkwässern, ist zu lesen, sei der Blei- (Pb) und in 5 Mineralwässern der Kupfergehalt (Cu) beanstandet worden. Und für die Bleianalysen werden auch Messergebnisse angeboten: 0,2 bis 1 Milligramm Blei pro Liter (mg/l). Es muss wohl eine gewisse Überheblichkeit des heute mit solch niedrigen Gehalten jeden Tag hantierenden Chronisten sein, dass er ungläubig das Datum prüfte: doch es blieb das Jahr 1900. Dass überhaupt, und nun muss der Begriff früher erscheinen als eigentlich geplant, bereits ‚Spurenanalytik’ betrieben wurde, verblüffte schon genug, die dabei erreichbare Nachweisstärke für ein offensichtliches Routineverfahren war aber gänzlich überraschend. So stieß der ‚Spurenanalytiker’ von heute bei seiner historischen Spurensuche unversehens früh auf ‚Spurenelemente’.
Spannend, da leider nicht überliefert, ist die Frage: Welches Messverfahren wurde hier eingesetzt? Die klassischen Verfahren Gravimetrie und Titrimetrie scheinen für die Routine bei so niedrigen Gehalten ungeeignet. Dass es Routineverfahren waren, legt einerseits die relativ unkomplizierte Matrix Wasser nahe, andererseits lässt die Aussage, die Proben seien beanstandet worden, den Schluss zu, sie stammten aus einer größeren Serie. Drittens ist auch in den nachfolgenden Jahren mehrfach nachzulesen, dass Mineralwässer wegen erhöhter Blei- und Kupfergehalte auffällig geworden seien, wohl also ein Untersuchungsverfahren, das regelmäßig zum Einsatz kam, existiert haben muss. Die Angabe von Gehalten blieb allerdings dem Jahresbericht von 1900 vorbehalten und wurde nicht wieder bestätigt.
Die Gravimetrie als Messmethode auszuschließen, ist allein durch die Vorstellung vom Aufwand der Isolierung und Reinigung von geringsten Mengen ausgefällter Blei- und Kupfersalze her zu begründen, die Waagentechnik (Abb.9) war durchaus schon soweit entwickelt, bis 0,1 Milligramm wiegen zu können. Die Titrimetrie damaligen Entwicklungsstandes, die noch keine komplexometrischen Reagenzien für Metalle und keine automatisierten Mikromethoden kannte, ist indes gewiß nicht die in Frage kommende Methode.
  

 

Abb.9 Analysenwaage um 1900

Viel wahrscheinlicher ist ein kolorimetrisches oder elektrochemisches Verfahren. Die Kolorimetrie (siehe nächstes Kapitel) war wie die Titrimetrie allerdings auf ein gutes menschliches Auge angewiesen, das kleinste Farbnuancen zu erkennen vermochte. Es müssten schon intensivste Anfärbungen von Blei- und Kupferverbindungen bekannt gewesen sein, um in dem niedrigen Konzentrationsbereich arbeiten zu können. Favorit auf der Spekulationsskala wäre demnach eine elektrochemische Methode.
Nachdem bereits in den 30er-Jahren des 19.Jahrhunderts Michael Faraday (1791-1867) seine bahnbrechenden Arbeiten zur Elektrolyse (Abb.10) mit den nach ihm benannten Gesetzen vorgestellt hatte, war die quantitative elektrochemische Analytik als instrumentelles Analysenverfahren um 1900 bereits deutlich weiter entwickelt als die heute dominierende quantitative optische bzw. spektrometrische Analytik (siehe nächstes Kapitel). Für Blei- und Kupferbestimmungen eignen sich die Elektrogravimetrie und die Coulometrie. In beiden Fällen wird die Gesamtmenge des Analyten an einer Elektrode reduktiv oder oxidativ abgeschieden, wenn eine für den Analyt spezifische konstante Spannung an die Elektrolysezelle gelegt wird. Kupfer scheidet sich dabei elementar kathodisch ab, Blei als Bleioxid (PbO2) anodisch. Bei der Elektrogravimetrie wird der Analytgehalt aus der Gewichtsdifferenz der Elektrode vor und nach der Elektrolyse ermittelt, bei der Coulometrie aus der zwischen den Elektroden fließenden Ladungsmenge während des Abscheideprozesses, die sich zur Menge des Analyten proportional verhält.
  

 

Abb.10 Schema einer Elektrolyse

In der heutigen Trinkwasserverordnung finden wir einen Grenzwert von 0,025 mg/l für Blei. Es war also eine Menge Blei in den beanstandeten Wässern, das aus bleiernen Wasserleitungen stammte. Ein Problem ist das in alten Häusern bisweilen heute noch. Auch die Kupferbelastung der Mineralwässer ist nachvollziehbar. Die damals gebräuchlichen verzinnten Kupferleitungen der Produktionsstätten hatten ihre Oberflächenversiegelung verloren.
Um die Jahrhundertwende und im ersten Jahrzehnt danach taucht noch ab und an ein Exot im Elementespektrum des Untersuchungswesens in Marburg auf. Mal wird Zink in getrockneten Äpfeln mit Gehalten um 0,2%, mal Blei in Zinndeckeln von Trinkkrügen mit Gehalten um 20% und mal Blei in Tonkrügen ohne überlieferte Gehaltsangaben analysiert und erwähnt, doch kann hier von ‚Spurenanalytik’ keine Rede sein. In dieser Hinsicht stehen die Wasserergebnisse von 1900 ziemlich einmalig da. Aber es gibt noch einen anderen Sammelbegriff für die vorstehenden Elemente, der hier eingeführt gehört und später noch genauer zu definieren sein wird: ‚Schwermetalle’.
Leider sind aus dieser Zeit keine Detailberichte aus Darmstadt auffindbar, um vielleicht auch dort etwas von Exoten zu entdecken. Obwohl die beiden hessischen Stationen unter ihren jeweiligen Obrigkeiten strikt getrennt arbeiteten, waren andererseits die wissenschaftlichen Erkenntnisse und elementanalytischen Methoden der Zeit Allgemeingut und letzlich beide Häuser auch im ‚Verband der Landwirtschaftlichen Versuchsstationen’ tätig, woraus mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für Darmstadt auf die ersten Schwermetall- und vielleicht ersten Spurenanalysen geschlossen werden kann.
Beschließen wir die ersten rund 50 Jahre anorganisch-analytischen Schaffens zum Wohle der Landwirtschaft in Hessen mit der Nachricht von neuen Laboratorien auch für die kurhessische Station. Die bekam sie, als sie 1910 von Marburg an ihren heutigen Standort in Kassel-Harleshausen verlegt wurde.

Licht im Dunkel der Elementanalytik

Ohne optische Messverfahren geht heute wenig in der Elementanalytik. Bevor das zweite halbe Jahrhundert, wo sie Einzug in das Landwirtschaftliche Untersuchungswesen hielten, und das dritte, wo sie sich unentbehrlich machten, an uns vorüberziehen kann, sollen ein paar Grundbegriffe helfen, die verschiedenen Varianten der optischen Verfahren im Bezug zueinander kennenzulernen.
All das, was nun Revue passieren soll, betrifft die Wechelwirkung von Materie mit Licht oder richtiger: elektromagnetischer Strahlung (Abb.11). Deren Strahlungsenergie kann von Materie in Portionen absorbiert oder emittiert werden. Wenn Materie Strahlung absorbiert, verändert sich in ihr etwas von einem definierten energieärmeren Zustand A zu einem definierten energiereicheren Zustand B, der ‚angeregt’ genannt wird, in der Regel kurzlebig ist und unter Emission der Strahlung wieder zum Zustand A, der ‚nicht angeregt’ genannt wird, zurückkehrt. Es existieren Bewegungs- (Translations-), Rotations-, Schwingungs,- und Elektronenzustände, die je energiereicher die zu absorbierende Strahlung wird, nacheinander in dieser Reihenfolge angeregt werden, d.h. Strahlung, die Elektronen anregt, ist energiereich genug, um gleichzeitig auch Schwingungen, Rotationen und Translationen auszulösen. Auch andere Energieformen als Strahlung, thermische oder elektrische, können eine Anregung bewirken.
  

 

Abb.11 Elektromagnetisches Spektrum

Isaac Newton (1643-1727) wusste noch nichts von Energiezuständen der Materie, als er 1672 das weiße Sonnenlicht mit einem Prisma in das Spektrum des sichtbaren Lichtes (Abb.11) brach, ebensowenig Joseph von Fraunhofer (1787-1826), als er 1814 mit dem ersten Spektroskop der Welt in diesem Spektrum schwarze Linien entdeckte, und auch die Begründer der Spektralanalyse Robert Bunsen (1811-1889) und Robert Kirchhoff (1824-1887), die 1868 den ersten Spektralapparat der Welt (Abb.12) konstruierten, erlebten diese Erkenntnisse des 20.Jahrhunderts nicht mehr.
  

 

Abb.12 Spektralanalysenapparat

Bunsen und Kirchhoff verdampften Elemente in einer heißen Flamme, fokussierten das von den heißen Dämpfen emittierte Licht auf ein verstellbares Prisma (F) und betrachteten die projezierten Emissionsspektren mit dem Spektroskop (C) ihres Apparates. Sie sahen sogenannte Linienspektren (Abb.13) mit wohldefinierten farbigen Linien und breiten dunklen Zwischenräumen, kein kontinuierliches Farbband (Kontinuumspektrum) wie das Sonnenspektrum, und entdeckten, dass alle Spektren verschieden und jedes für sein Element charakteristisch war. Abb.13 zeigt unter dem Kontinuumspektrum der Sonne die Linienspektren von Wasserstoff (H), Helium (He), Barium (Ba) und Quecksilber (Hg). Jede Linie gehört zu einer definierten Wellenlänge, was indes noch nicht der Sprachgebrauch um 1860 war.
  

 

Abb.13 Kontinuumspektrum und Linienspektren

Weder Abb.11 noch Abb.13 zeigen das Sonnenspektrum so, wie es Fraunhofer mit hoher Auflösung in seinem Spektroskop sah. Durch zahlreiche schwarze Linien unterbrochen gleicht es dem Negativ eines Linienspektrums. Bunsen und Kirchhoff machten die faszinierende Entdeckung, dass zahlreiche der schwarzen Linien mit den farbigen in ihren Elementspektren deckungsgleich waren, und lieferten schließlich auch die Erklärung.
Es war die Geburtsstunde der Absorptionsspektroskopie.
Sie postulierten: Das Kontinuumspektrum der Sonne resultiere aus den sich überlagernden Linienspektren einer Vielzahl thermisch angeregter Elemente. In der kälteren Korona gebe es Gaswolken einiger dieser Elemente, die noch nicht zur Strahlung angeregt seien, die aber aus dem Sonnenlicht die Energie zur eigenen Anregung absorbieren könnten. Die Absorption von definierten Energieportionen aus der Gesamtstrahlung manifestiere sich in den schwarzen Unterbrechungen des Kontinuumspektrums, die mithin Absorptionslinien seien. Jede Materie absorbiere aber wohl diejenige Strahlungsart, die sie auch emittieren könne, dies erkläre die Deckungsgleichheit der Linien.
Dieses Kirchhoffsche Strahlungsgesetz lautet moderner ausgedrückt: Emittiert angeregte Materie oder spezieller ein angeregtes Element Strahlung einer bestimmten Wellenlänge, so kann dieselbe Materie bzw. dasselbe Element auch Strahlung derselben Wellenlänge absorbieren.
Die Spektroskopie diente in der Folge als qualitative Methode emissions- wie absorptionstechnisch eingesetzt zur Entdeckung zahlreicher Elemente und leistete ihren Beitrag bei der Aufstellung des Periodensystems (Abb.6).
Die erste quantitative Anwendung war die Kolorimetrie (Farbmessung), ein absorptionsspektroskopisches Verfahren, bei dem als Messinstrument weiterhin das Auge diente. Nicht nur Elemente in der Gasphase, sondern auch chemische Verbindungen in Lösung absorbieren Licht und in beiden Fällen ist das Ausmaß der Absorption auf einer bestimmtem Wellenlänge proportional abhängig von der Konzentration der absorbierenden Spezies und von der Länge des Weges, den das Licht durch das Gas oder die Lösung zurücklegen muss. Diese Abhängigkeiten sind Inhalt des Lambert-Beerschen Gesetzes, zu dem Johann Heinrich Lambert (1728-1777), der schon 1760 die Abhängigkeit von der Durchstrahlungsdicke entdeckte, und August Beer (1825-1863), der 1854 die Konzentrationsabhängigkeit fand, beitrugen. In der Kolorimetrie vergleicht man bei identischen Durchstrahlungsdicken eine Lösung unbekannter Spezieskonzentration solange mit Lösungen bekannter Spezieskonzentrationen, bis sich eine Farbgleichheit ergibt, aus der sich nach dem Lambert-Beerschen-Gesetz die gesuchte Konzentration ableitet.
Das Kolorimeter, richtiger hätte es allerdings dem Messinstrument Auge geschuldet Koloriskop (skopein (gr.): betrachten) heißen müssen, ist ein Vorläufer des Photometers aus der Familie der Absorptionsspektrometer. Ein Spektrometer ist im Gegensatz zu einem Spektroskop mit einer technischen Licht- bzw. Strahlungsmessung ausgestattet, z.B. einer Photozelle, die Strahlung in messbaren elektrischen Strom umwandelt, wodurch es Intensitäten, auch sehr kleine, exakt zu detektieren vermag. Die andere wesentliche Innovation liegt in der Verwendung monochromatischer Strahlung einer einzigen Wellenlänge, welche merklich genaueres Messen als polychromatische Strahlung aus einem ganzen Spektrum gestattet. Das Photometer ebnete den Weg zur Bestimmung von Analytkonzentrationen im Spurenbereich und bot mit einem geeigneten Detektor auch den Einstieg in die Absorptionspektrometrie mit anderen elektromagnetischen Strahlungen als sichtbarem Licht.
Kolorimeter waren seit der Jahrhundertwende verfügbar, wurden ab 1920 technisch stetig verbessert und deshalb bisweilen auch Photometer genannt. Echte Photometer wurden aber erst ab 1945 kommerziell angeboten, technische Hürden beim Bau von leistungsstarken Präzisionsmonochromatoren und der 2.Weltkrieg verhinderten einen früheren Start.
Bereits Anfang der 30er-Jahren fand hingegen die klassische qualitative Spektralanalyse ihre kommerzielle Fortsetzung. Quantitativ arbeitende Flammenemmissionsspektrometer, auch Flammenphotometer genannt, eroberten die Labore. Auch hier war das Messinstrument Auge des Spektroskops von der Photozelle abgelöst worden. Auch hier filterte ein Monochromator einzelne Linien bzw. Wellenlängen heraus, der es allerdings bedeutend leichter hatte als sein Pendant im Photometer. Da sich die Flammenphotometrie auf die quantitative Bestimmung weniger in einer chemischen Flamme anregbarer Elemente beschränkte, hatte der Monochromator nur wenige sich überlagernde Linienspektren auseinander zu dividieren. Es waren vor allem die thermisch leicht anregbaren Alkali- und Erdalkalimetalle, die sich nun in sehr niedrigen Konzentrationen bestimmen ließen. Die Stärke des Messsignals hängt in der quantitativen Emissionsspektrometrie proportional von der Zahl der angeregten strahlenden Elementteilchen ab, welche wiederum proportional mit der Konzentration des Elements in der zu verdampfenden Probe korreliert.
Die Messprinzipien der Photometrie und der Flammenphotometrie verdeutlichen noch einmal die Abb.14 und 15, bevor wir um das Basiswissen des optischen Messwesens reicher zur Laborgeschichte der Elementanalytik in Hessens Landwirtschaftlichen Versuchsstationen zurückkehren. Es sind keine Absolutverfahren, sondern sie müssen beide immer mit entsprechenden Vergleichsproben bekannten Gehaltes kalibriert werden.
  

 

 

Abb.14 Photometrie

Abb.15 Flammenphotometrie

(Legende Abb.14: L = Lichtquelle, M = Monochromator, K = Küvette mit Probe, D = Detektor) 
(Legende Abb.15: P = Probe, A = Ansaugung, Z = Zerstäuber, F = Flamme, M + D wie vor )

Das zweite halbe Jahrhundert

Kaum anderes als steigende Probenzahlen war aus den Versuchsstationen in Sachen Elementanalytik aus dem ersten Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts zu vermelden gewesen. Das zweite schickte sich an, so fortzufahren - es wurden neue, qualitativ z.T. bedenkliche Mischfuttermittel produziert, die der dringenden Überwachung bedurften, neue Stickstoffdünger drängten nach der gelungenen Ammoniaksynthese aus Stickstoff und Wasserstoff auf den Markt - , als der 1.Weltkrieg die Forschungs- und Untersuchungstätigkeiten jäh beschränkte. Der personelle Aderlass durch Einberufungen war hoch. In Kassel reduzierte sich die Belegschaft auf weniger als ein Drittel, und die Situation änderte sich auch nach Kriegsende nur unwesentlich. Von den Einberufenen kehrte niemand zurück, und die inflationäre und durch Reparationen belastete Wirtschaftslage verhinderte Neueinstellungen. Noch 1930 belief sich die Zahl der wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiter auf nur sieben. In Darmstadt war die Ausgangslage besser, da es, von Paul Wagner forciert, zuletzt mehr Mitarbeiter als in Kassel gegeben hatte, doch auch hier erfolgte eine Zäsur. In den 20er-Jahren im nach Kriegsende aus dem Großherzogtum entstandenen Volksstaat Hessen erholte sich die Station personell etwas schneller, sie profitierte nach der Währungsreform 1923 von der besseren wirtschaftlichen Lage im süddeutschen Raum und der Nähe zu den wesentlichen Produzenten chemisch-landwirtschaftlicher Produktionsmittel.
Der Krieg brachte aber auch andere als personelle Nöte. So konnte die chemische Industrie eine Zeitlang nicht ausreichend Citronensäure produzieren, was die Phosphorbestimmung in Düngern einschränkte. Neue Untersuchungsmethoden waren bei Futtermitteln gefragt. Immer öfter war die Untersuchung von Futterkalken und ab Mitte des Krieges besonders von Tierkörpermehlen gefragt, traurig machender ‚Nachschub’ von der Westfront, durch den sich neben der deutlichen Zunahme von Haferuntersuchungen der Krieg am Labortisch manifestierte. Neben Stickstoff wurde in Futtermitteln deshalb jetzt häufiger auch Calcium (Ca) bestimmt.
Üblich war die Fällung als Oxalat oder Pikrolonat mit gravimetrischer oder titrimetrischer Endbestimmung. Die Fällung mit Pikrolonsäure eignete sich auch als mikrogravimetrische Methode, nachweisbar waren noch 10-20 mg Ca pro Liter, oder nach Auflösung des Pikrolonats in Salpetersäure und Erzeugen einer blutroten Lösung bei Zugabe von Natronlauge für die Kolorimetrie mit einer der Mikrogravimetrie vergleichbaren Nachweisstärke.
Mit Oxalsäure ((CO2H)2) und dem Pyrazolinderivat Pikrolonsäure ((C3N2HO)(C6H4NO2)(CH3) (NO2)) begegnen wir erstmals organischen Reagenzien in der Elementanalytik. Da es zumeist Organika sind, die die Elemente per elementorganischer Verbindungen zur Absorption von Licht oder UV-Licht und zur kolorimetrischen oder photometrischen Bestimmbarkeit befähigen, sei hier besonders auf sie verwiesen. Das intensivere Suchen nach geeigneten organischen Substanzen zu Verbindungsbildung oder Komplexierung nahm zu dieser Zeit seinen Anfang und bescherte uns bis heute eine reiche Palette. Ihr wichtigstes Attribut ist ihre Spezifität für Elementpartner wie Bestimmungsverfahren. Von Reiz an der Suche war, dass chemischer Sachverstand allein nicht zum Ziele führen musste, sondern vielfach Empirie half.
Die von Not und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen, aber auch Innovation und Ideenreichtum geprägte Weimarer Zeit spiegelte sich im Alltag der Versuchsstationen wieder. Die Not zeigte sich in den Untersuchungszahlen. 1923 wurden in Kassel z.B. nur 17% der im Einzugsbereich eingesetzten Düngemittel und nur 6% der Futtermittel untersucht. Die Landwirte hatten nicht das Geld, die Untersuchungen zu bezahlen.
Dabei wäre eine höhere Zahl von Kontrolluntersuchungen insbesondere bei Mischfuttermitteln dringend geraten gewesen, um vermehrt auftauchende unseriöse Produkte vom Markt entfernen zu helfen. Seit 1920 gab es zwar eine Mischfuttermittelverordnung, die aber, vom Charakter her lediglich eine Sollvorschrift, wenig befolgt und vom ‚Verband der Landwirtschaftlichen Versuchsstationen im Deutschen Reiche’ rigoros abgelehnt wurde. Emil Haselhoff (1862-1948), von 1902 bis 1930 Direktor in Kassel und einer der wichtigen Tierernährungswissenschaftler der 20er-Jahre, sagte seine Meinung unverblümt: „Das beste wäre ja gewesen, diese Verordnung hätte nur einen einzigen Paragraphen gehabt, der gelautet hätte: Die Herstellung von Mischfutter ist verboten.“ 1927 gab es dann das erste deutsche Futtermittelgesetz, dass von allen Seiten mehr Akzeptanz fand und letztlich auch den Freiraum für die Entwicklung weiterer Futtermittelsorten schuf.
Für die Elementanalytik gab es Arbeit, als die Futtermittelhersteller neue Mineralstoffmischungen erprobten. Sie versuchten dabei neue wissenschaftliche Erkenntnisse über einen noch nicht ganz verstandenen Mineralstoffwechsel umzusetzen. Die Mischungen enthielten Phosphor (P), Calcium (Ca), Magnesium (Mg,) Kalium (K), Natrium (Na), Eisen (Fe), Zink (Zn) und Kupfer (Cu). Gefragt war bei den Untersuchungen kein extraktiver, sondern der Gesamtgehalt.
Die Überprüfung sicherte nur die Deklaration ab, sie bot keine Beratung hinsichtlich geeigneter Mischungen. Dazu war das Wissen über richtig abgestimmte Dosen an Mineralnährstoffen und Spurenelementen noch zu unausgereift. Es wundert deshalb nicht, dass sich die Geister an diesen Mischungen erneut schieden, weil nachprüfbare Erfolge selten waren, im Gegenteil sogar negative Gesundheitsfolgen bekannt wurden, was aus heutigem Wissen über Antagonisten unter den Nährelementen nicht erstaunt, bei deren Unausgewogenheit Mangelerscheinungen die Folge sein können. Die Mineralstoffmischungen dieser Zeit verschwanden deshalb oft genau so schnell wieder vom Markt wie sie auf ihm erschienen waren.
Emil Haselhoff, der über 600 Veröffentlichungen publizierte, verfasste in den Jahren 1924-29 gemeinsam mit dem Göttinger Chemiker Edwin Blanck (1877-1953) auch ein vierbändiges ‚Lehrbuch der Agrikulturchemie’, das ein Standardwerk seiner Zeit wurde. Betrachten wir in Anlehnung daran, wie z.B. Eisen kolorimetrisch bestimmt wurde.
Gefärbte Verbindungen, die sich für die Kolorimetrie eigneten, waren von dreiwertigem Eisen z.B. mit Ammoniumthiocyanat (NH4SCN) oder Sulfosalicylsäure (C6H3)(OH)(CO2H)(SO3H)) und von zweiwertigem Eisen mit Dipyridyl ((C5H5N)2) (Abb.16) bekannt. Zu einer Gesamteisenbestimmung musste vorab entweder das zweiwertige oxidiert oder das dreiwertige Eisen reduziert werden.
  

 

Abb.16 Komplexes Eisen-II-tris(α,α’-dipyridyl)-ion

Vertiefen wir etwas die letztgenannte Bestimmung. Die Mineralstoffmischung wurde zunächst einem sauren Aufschluss in konzentrierter Salzsäure unterzogen oder im Muffelofen verascht und die Asche in konzentrierter Salzsäure aufgenommen. Ob der nasse oder der trockene Aufschluss geeigneter wäre, wurde kontrovers diskutiert. Heute würde bei einer Mineralstoffmischung wohl eher der nasse Aufschluss gewählt, damals standen nicht so reine Chemikalien zur Verfügung, und so hatte der kontaminationsfreiere trockene Aufschluss seine Fürsprecher. Die salzsaure Lösung wurde eingedampft und der Rückständ in verdünnter Salzsäure aufgenommen. Bei Vorhandensein unlöslicher Anteile sah das Verfahren auch noch eine Filtration vor. Mit Zugabe von etwas Wasserstoffperoxid (H2O2) ließ sich noch vorhandenes zweiwertiges Eisen in dreiwertiges überführen, das dann mit verdünnter Kalilauge als Eisenhydroxid (Fe(OH)3) gefällt wurde.
Enthielten die Mischungen Aluminium (Al) und/oder Mangan (Mn) war eine vorherige Abtrennung unerläßlich. Das abfiltrierte Hydroxid wurde in verdünnter Salzsäure gelöst, die Lösung zur Reduktion des Eisen in die zweiwertige Form mit Natriumsulfit (Na2SO3) versetzt, das Farbreagenz Dipyridyl zugegeben und die Lösung auf ein definiertes Volumen aufgefüllt. Mit Vergleichslösungen bekannter Eisengehalte, der zu vermessenden Lösung in Säure- und Reagenziengehalt angepasst, konnte nun das Messverfahren (Abb.17) beginnen.
Die Kolorimetrie reifte in Kassel und Darmstadt in den 20er-Jahren zum Routineverfahren. Neben dem Einsatz bei der Kontrolle von Mineralstoffmischungen, Düngemitteln, Wässern und Lebensmitteln wurden wissenschaftliche Arbeiten begleitet. Systematische Analysen von Futtermittelaschen sollten die Kenntnisse über grundsätzliche Mineralstoffvorräte verschiedener Futtermitteltypen verbessern oder Pflanzenanalysen aus z.B. Bor- (B), Chrom- (Cr), Kupfer- (Cu), Mangan- (Mn) und Schwefeldüngungsversuchen (S), teilweise vor dem 1.Weltkrieg konzipiert und begonnen, das Wirkvermögen dieser Elemente klären. Initiert wurden solche Versuche oft durch unerklärliche Pflanzenkrankheiten, indes verliefen sie so ergebnislos, dass Haselhoff 1928 noch erklärte: „Es besteht keine Veranlassung, den ‚Reizstoffen’ Mangan und Kupfer besondere Bedeutung für die Ertragssteigerung im praktischen Betrieb zuzuschreiben.“ Spätere Forschergenerationen sollten eben auch noch etwas zu entdecken haben.
Nicht immer ist aus dem vorhandenen historischen Schriftwerk ersichtlich, ob für die Elementanalytik der 20er-Jahre jeweils eine kolorimetrische Methode zur Hand war, wenn aber, dann ist ziemlich sicher, dass sie anderen Methoden wegen ihrer Selektivität, Reproduzierbarkeit  und ihres Probendurchsatzes vorgezogen wurde. Elektrochemische Methoden faradayscher Prägung, denen Redoxprozesse an Elektroden zugrundeliegen (Elektrogravimetrie, Coulometrie, Voltammetrie, Amperometrie), wie nichtfaradayscher Prägung (Konduktometrie, Potentiometrie) ergänzten die apparative anorganische Analytik, erreichten aber in der Routine nie die Bedeutung des optischen Verfahrens. Unerwähnt sollen auch nicht die in den 20er-Jahren vermehrt entwickelten nephelometrischen Bestimmungen bleiben, die auf der konzentrationsabhängigen Beugung von Licht durch gezielt erzeugte kolloidale Trübungen von Analytlösungen beruhen. Sie waren zwar ebenso empfindlich, schnell und selektiv wie kolorimetrische Verfahren, ließen sich aber wegen allerlei Störeinflüsse nur schlecht reproduzieren und konnten sich nicht durchsetzen.
Streichen wir die Bedeutung der Kolorimetrie für das landwirtschaftliche Untersuchungswesen dieser Zeit noch mit einem weiteren konkreten Beispiel heraus, der auch für die spätere Photometrie wichtig bleibenden Bestimmung des Phosphors mit der Molybdänblaumethode. Die Bestimmung ist für nahezu alle Probenarten einer Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt einsetzbar und für Aufschlusslösungen ebenso geeignet wie für verschiedene Extrakte.
Molybdän (Mo) tritt in seinen Verbindungen in den Oxidationsstufen II bis VII auf und bildet verschiedene Mischoxide, in denen es in mehr als einer Oxidationsstufe vorkommt. Eines dieser Mischoxide ist das Molybdänblau ((MoO2)(MoO3)4), das seine intensive blaue Farbe bei Verdünnung mit Wasser verliert. In Gegenwart von Phosphat bleibt die Blaufärbung jedoch durch Verbindungsbildung stabil und ist zwischen 0,01 und 10 mg/l proportional zur Konzentration des Phosphats. Das Reagenz lässt sich in schwefelsaurer Lösung durch Reduktion von MoO3 mit elementarem Molybdän erzeugen. Eine Schwierigkeit ist die völlig gleichartige und ebenso proportionale Reaktion mit Arsenat. Waren Phosphor und Arsen (As) in vergleichbarer Menge in einer Probe enthalten, empfahlen die Autoren die kolorimetrische Summenbestimmung beider Parameter, die nachfolgende Einzelbestimmung des Arsens z.B. mittels einer jodometrischen Titration und letztlich die Phosphorbestimmung aus der Differenzbildung.
  

 

Abb.17 Kolorimeter um 1920

In den Kasseler Jahresberichten tauchen zum Ende des Jahrzehnts zur Freude des Chronisten auch wieder einige besondere Analyten mit genaueren Gehaltsangaben auf. Von 37 Arsenbestimmungen an Superphosphatdüngern mit Gehalten zwischen 91 und 335 mg/kg wird 1929 berichtet. Das Arsen ist Kontaminant aus der zum technischen Aufschluss der Phosphate eingesetzten Schwefelsäure. Weiter ist zu lesen, dass diese Konzentrationen keine Wirkungen auf das Pflanzenwachstum erkennen ließen. 1931 werden wieder einmal Wasseruntersuchungen erwähnt. Neben einigen Eisenanalysen werden in einer Probe auch 0,44 mg/l Mangan (Mn) bestimmt. In einer Lebertranprobe wird ein erhöhter Zinkgehalt (Zn) nachgewiesen und in einer Weizenmehlprobe Quecksilber (Hg), leider ohne Gehaltsangabe oder Bemerkung, ob von erhöhtem Gehalt, aber mit dem Hinweis, dass das Schwermetall aus Saatgutbeizmitteln stammen müsse.
Aus der Landwirtschaftlichen Versuchsstation in Kassel war im übrigen 1922 eine Landwirtschaftliche Versuchsanstalt geworden. Nicht so genau datierbar, aber noch in den 20er-Jahren erfolgte die gleiche Namensänderung in Darmstadt.
Die elementanalytischen Untersuchungstätigkeiten beider Anstalten wurden um 1930 nach wie vor von den Düngemittelanalysen auf Stickstoff, Phosphor und Kalium bei gestiegenem Kaliumanteil und den Futtermittelanalysen auf Stickstoff dominiert, aber neben den ersten Gehversuchen zu anderen Mineralstoffen erwachte das Interesse an der Nährstoffsituation der Böden.
Hans Wießmann, der 1930 Emil Haselhoff als Leiter in Kassel ablöste, hielt auf dem Verbandskongress 1934 ein Grundsatzreferat über Düngung, in dem er darauf abhob, dass die Nahrungsproduktion immer noch nicht das Vorkriegsniveau erreicht habe, obwohl die doppelte Menge an Stickstoff und erheblich mehr Kalium gedüngt würden. Seine Schlussfolgerung ging zwar letztlich in Richtung einer gestörten Bodenfruchtbarkeit durch Humusunterversorgung, mit der Ertragsssituation war aber auch die Frage nach einer generell ausreichenden und im Mengenverhältnis adäquaten Mineralstoffversorgung verknüpft.
Der politische Umschwung 1933 und in der Folge die politische Forderung nach einer weitgehend autarken und qualitativ hochstehenden Versorgung mit landwirtschaftlichen Gütern versetzte die Versuchsanstalten in ganz Deutschland dann in kurzer Zeit personell und materiell in die Lage, ein umfangreiches systematisches Bodenuntersuchungswesen aufzunehmen. So gab es in Kassel 1937 wieder 25 MitarbeiterInnen im Labor und im Landwirtschaftlichen Versuchswesen, darunter 8 wissenschaftliche, und in Darmstadt sogar 47, darunter 6 wissenschaftliche.
  

 

Abb.18 Agrikulturchemisches Labor in Kassel 1935

Zwischen 1936 und 1944 wurden in Deutschland elementanalytisch 5,7 Millionen Phosphor- und 500.000 Kaliumgehaltsbestimmungen durchgeführt, daneben mit anderen als elementanalytischen Verfahren (Keimpflanzenversuch und pH-Bestimmung) weitere 500.000 Kalium- und 7,2 Millionen Kalkbedarfsbestimmungen, hier aber miterwähnenswert, um die Dimension des Großprojektes zu veranschaulichen. 4,9 Mio. Phosphoruntersuchungen entfielen auf die Kriegsjahre 1941-44, in denen der sparsame Umgang mit den Phosphatreserven oberste Düngepflicht war, da der Import von Rohphosphat zunehmend zum Erliegen kam. Jede Versuchsanstalt musste für die als ‚Bodenuntersuchungs-Sonderaktion’ ausgelobte Maßnahme statt einiger hundert Böden pro Jahr wie bis Mitte der 30er-Jahre einige tausend bearbeiten (Beispiel Kassel: 1936: 364; 1937: 711; 1938: 2688; 1939: 9177; 1940: 15937) und wäre ohne physikalische Messmethoden an dieser Aufgabe gescheitert. Die Bodenuntersuchung, wie wir sie heute als eine der zentralen Aufgaben unserer Versuchsanstalten kennen, hatte sich etabliert.
Unter Ludwig Schmitt, der die Leitung der Versuchsanstalt 1933 übernahm und später langjähriger Präsident des Verbandes wurde, konnte 1936 in Darmstadt das erste Flammenphotometer (Abb.15) erworben werden, und die Emmissionsspektrometrie bestand die Feuertaufe bei den Kaliummassenbestimmungen erfolgreich. Sie ist für diesen Anwendungszweck auch heute noch die Methode der Wahl. In Darmstadt wurden in den Kriegsjahren 14.000 Böden auf laktatlösliches Kalium untersucht, in Kassel, wo noch kein Flammenphotometer zur Verfügung stand und kolorimetrisch gearbeitet wurde, kamen 3000 Böden zur Kaliumanalyse auf den Labortisch.
Die in den 30er-Jahren in der Verbandsarbeit entwickelte kolorimetrische Methode nutzt die quantitative Fällbarkeit des Kaliums mit einer Mischung aus Kobaltnitrat (Co(NO3)2) und Natriumnitrit (NaNO2) unter oxidativen Bedingungen zum komplexen Kaliumnatriumkobaltnitrit (K3Co(NO2)6 x Na3Co(NO2)6). Das gefällte Salz ist in Natronlauge löslich, bildet mit Sulfanilsäure und Naphtylamin einen Farbkomplex und ist so kolorimetrisch analysierbar. Das Methodenbuch des Verbandes, in dem diese Vorgehensweise beschrieben wird, ist das erste, das sich mit Bodenuntersuchungen beschäftigt. Beachtenswert ist, dass für Bestimmungen verschiedener Schwermetalle hier bereits das Aufschlussverfahren mit Königswasser (3:1-Mischung aus Salzsäure und Salpetersäure) vorgeschlagen wird, das noch heute im Landwirtschaftlichen Untersuchungswesen in der chemischen Aufarbereitung mineralisch dominierter Probenspezies seinen unangefochtenen Stammplatz hat.
Das Erstaunen des Chronisten gegenüber dem elementanalytischen Wissen der Altvorderen kam schon einmal zur Sprache, als es Spurenanalytik im Jahre 1900 zu entdecken gab. Wenn eine Tatsache nach dem Studium der alten Dokumente noch einmal einer besonderen Betonung bedarf, dann die, dass es wahrscheinlich alles früher gab, als es der Chronist aufspüren konnte.
Neben soviel Bodenuntersuchung und Massenanalytik in den 30er- und 40-er-Jahren brachten die hessischen Elementanalytiker aber auch in die Angewandte Forschung weiterhin ihre Arbeit ein. So konzipierte die Anstalt Darmstadt 1937 die wohl bis dato ausgedehntesten Düngungsversuche weltweit zum Zwecke der umfassenden und kurzfristigen Prüfung der in dieser Zeit als Wundermittel der Düngung gepriesenen Gesteinsmehle, die Anbieter langfristig verfügbarer mineralischer Makro- und Mikronährstoffe sein sollten.
  

Element

Gehalte

Element

Gehalte

Element

Gehalte

Si

14 - 31%

Ca

0,1 - 18%

Mg

0,7 - 10%

Fe

0,7 - 8,4%

K

0,7 - 3,7%

N

0,1 - 0,2%

P

u.B. - 0,9 %

Al

u.B. - 0,1%

Na

u.B. - 0,1%

Sr

u.B. - 0,1%

Mn

u.B. - 0,1%

Ni

u.B. - 0,1%

Ti

u.B. - 0,1%

Ba

u.B.- 0,01%

Co

u.B.- 0,01%

Cr

u.B.- 0,01%

Cu

u.B.- 0,01%

V

u.B.- 0,01%

Ag

u.B.- 0,001%

B

u.B.- 0,001%

Mo

u.B.- 0,001%

Pb

u.B.- 0,001%

Sn

u.B.- 0,001%

Zn

u.B.- 0,001%

Abb.19 Elementgehalte in Steinmehlen aus Darmstädter Pflanzenbauversuchen 
(u.B. = unterhalb der Bestimmbarkeitsgrenze)

In 9 Gesteinsmehlen aus pflanzenbaulichen Versuchen wurden auf Grund dieser Behauptungen nicht nur die Gehalte an Stickstoff (N), Phosphor (P), Kalium (K), Calcium (Ca), Magnesium (Mg), Eisen (Fe) und Silicium (Si) gravimetrisch, titrimetrisch oder kolorimetrisch bestimmt, sondern auch die an Natrium (Na), Strontium (Sr), Aluminium (Al), Barium (Ba), Bor (B), Silber (Ag), Kobalt (Co), Chrom (Cr), Kupfer (Cu), Mangan (Mn), Molybdän (Mo), Nickel (Ni), Blei (Pb), Titan (Ti), Vanadium (V), Zinn (Sn) und Zink (Zn) kolorimetrisch oder flammenphotometrisch erfasst. Die Vielfalt der beherrschten optischen Bestimmungen sei damit eindrucksvoll vorgeführt. Abb.19 zeigt tabellarisch die ermittelten Gehalte als Bereiche, wobei ein 98%-reines Quarzmehl bei der Aufstellung unberücksichtigt blieb.
Die Düngungsversuche mit 8-jähriger Laufzeit belegten schließlich die ziemliche Wirkungslosigkeit der Gesteinsmehle im Vergleich zur klassischen NPK-Mineraldüngung.
Die Effektivität von Düngung und Fütterung zu steigern, avancierte in den ernährungskritischen Nachkriegsjahren und bis weit in die 50er-Jahre hinein wieder zur Aufgabe mit der höchsten Priorität für die Versuchsanstalten.
So wurde die Phase der umfassenden Bodenanalysen trotz schwerer Gebäudezerstörungen an beiden Standorten auch nach Kriegsende forciert fortgesetzt. Bis 1948 wurden z.B. in Darmstadt weitere rund 44.000, in Kassel und Marburg, wohin die kurhessische Anstalt für ein Jahr ausgelagert wurde, weitere rund 20.000 Böden auf ihren Kaliumgehalt untersucht.
Zunehmend deutlicher wurde der Agrarforschung in diesen Jahren nun auch, dass die alleinige Ausbringung bzw. Verfütterung von Makronährstoffen zur optimalen Ernährung von Pflanzen und Tieren nicht ausreichte. Die ernährungsphysiologische Notwendigkeit anorganischer und organischer Mikronährstoffe wurde mehrheitlich anerkannt. So unterbreitete auch Ludwig Schmitt 1954 als Präsident des ,Verbandes der Deutschen Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalten’ dem damaligen Bundeslandwirtschaftsminister Lübke eine Denkschrift über die vordringlichen Aufgaben der Versuchsanstalten, in der ausdrücklich die ‚Ausweitung der Forschung über die Mikronährstoffversorgung’ im Rahmen der Förderung der Bodenfruchtbarkeit benannt wurde. In den Fachgruppen des Verbandes entstanden nun die Methoden, mit denen sich die anorganischen Analytiker der Anstalten den Spurenelementen in Böden, Düngemitteln, Futtermitteln und Pflanzen widmen konnten.
Bor (B), Kupfer (Cu), Mangan (Mn), Molybdän (Mo) und Zink (Zn) waren um 1950 als essentiell wichtig für die Pflanzenernährung erkannt, bei Chlor (Cl) , Eisen (Fe), Natrium (Na) und Silicium (Si) bestanden Hinweise.
Die nun fundierteren Kenntnisse der Futtermittelhersteller zum Bedarf an Spurenelementen in der Tierernährung beendeten auch den jahrzehntelangen Widerstand der Versuchsanstalten gegen die Mineralfuttermischungen des Handels und führten zu Kontrollverträgen. Bis 1955 verzehnfachten sich die Produktionsbetriebe und verdreifachte sich der Umsatz der Branche, wovon die Anstalten profitierten. Die Futtermitteluntersuchung widmete sich neben Stickstoff (N), Phosphor (P), Calcium (Ca), Kalium (K), Magnesium (Mg), Schwefel (S) und Chlor (Cl) den erkannten essentiellen Spurenelementen Eisen (Fe), Kobalt (Co), Kupfer (Cu), Mangan (Mn) und Zink (Zn). Jod (J) kam bald, Selen (Se) um einiges später dazu.
In den 50er-Jahren wurden in Kassel und Darmstadt, beide Anstalten nun im Bundesland Hessen angekommen, aber nach wie vor unabhängig agierend, Photometer (Abb.20) eingeführt und viele kolorimetrische Verfahren auf photometrische umgestellt.
Eine der damaligen spurenanalytischen Methoden, die Bestimmung des Zinkgehaltes in Pflanzen, sei hier stellvertretend betrachtet. Es begegnet uns dabei mit Dithizon (Diphenylthiocarbazon) (Abb.21) ein organisches Reagenz, das als Farb- und Anreicherungsreagenz nun rund 3 Jahrzehnte das spurenelementanalytische Labor prägen sollte und mancher Laborantin und manchem Laboranten doch Stoßseufzer ob der zahlreichen Extraktionsschritte per Scheidetrichter und der vom Schütteln derselben erlahmenden Armmuskeln entlockte. Ganze Bücher wurden dem Reagenz gewidmet, das sowohl in sauren wässrigen Lösungen als auch in organischen Lösungsmitteln stabile Verbindungen mit einer Vielzahl von metallischen Elementen zu bilden vermag.
Die Pflanzenprobe wird zunächst bei maximal 550°C im Muffelofen verascht, die Asche mit konzentrierter Salzsäure abgeraucht und der Rückstand mit verdünnter Salzsäure zum Erhalt einer Analysenlösung extrahiert. Dies ist auch heute noch eine gebräuchliche Aufschlusstechnik für Futtermittel mit vorwiegend organischer Matrix. Wichtig ist, dass die Veraschungstemperatur dem Analyt moderat angepasst ist, um Verluste von flüchtigen Zinkhalogeniden zu vermeiden. Es gibt Analyten, wie Cadmium (Cd), bei denen bereits 400°C die Obergrenze darstellen.
  

 

Abb.20 Photometer um 1960

Neben der landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim leistete hier insbesondere die Darmstädter Versuchsanstalt unter Ludwig Schmitt Anfang der 50er-Jahre essentielle Pionierarbeiten zu einer Reihe von Elementbestimmungen. Gleichermaßen wurde an den Veraschungen wie den weiteren Aufarbeitungsschritten gearbeitet.
Bei Zink gestalteten sich letztere wie folgt: Die schwach alkalisch gemachte Analysenlösung wird in einem Scheidetrichter mit einer Lösung von Dithizon in Tetrachlormethan extrahiert. Dabei gehen Zink und andere Metalle als rot gefärbte Dithizonate in die organische Phase, die in einen zweiten Scheidetrichter überführt wird. Die Extraktion ist mit frischen Portionen Dithizonlösung solange zu wiederholen, bis die organische Phase sich nicht mehr rot färbt. Die gesammelten Extrakte werden nun mehrfach mit verdünnter Salzsäure ausgeschüttelt, wobei Zink und die anderen Metalle in die saure wässrige Phase wechseln. In einem dritten Scheidetrichter werden die gesammelten salzsauren Extrakte auf einen pH-Wert zwischen 4,5 und 5,0 eingestellt und mit Natriumthiosulfatlösung versetzt, um dann erneut erschöpfend mit Portionen Dithizonlösung extrahiert zu werden. Im Unterschied zur ersten Extraktion wechselt unter diesen Bedingungen allein das Zink in die organische Phase. Die Konzentration des Zinkdithizonates konnte im Vergleich mit Eichlösungen bekannter Zinkkonzentration nun entsprechend dem Lambert-Beerschen Gesetz photometrisch bei einer Absorptionswellenlänge von 538 nm bestimmt werden.


Abb.21 Dithizon

Für viele andere Metalle (z.B. Silber (Ag), Blei (Pb), Cadmium (Cd), Kupfer (Cu), Nickel (Ni) und Quecksilber (Hg)) wurden in diesen Tagen spezifische Trennverfahren auf der Basis der Anreicherung ihrer metallorganischen Verbindungen zwischen nicht mischbaren Phasen entwickelt. Das favorisierte organische Reagenz in Darmstadt und Kassel war das Dithizon, aber es kamen für die Photometrie auch andere wie Diethyldithiocarbaminsäure (Abb.22), bevorzugt bei Kupfer, oder Diacetyldioxim (Abb.23), bevorzugt bei Nickel, zum Einsatz.
Es 'duftete' immer reichlich nach flüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen im Spurenelementlabor. Der Arbeitsschutz musste erst noch entdeckt werden. Zwei Jahrzehnte später fiel die Wahl des Lösungsmittels aus Gründen geringerer Giftigkeit eher auf Dichlor- statt Tetrachlormethan. Viel hat das die Laborluft nicht entlastet, es wurde dann aber vermehrt der vernünftige Weg zu den Abzügen angetreten, deren Verbreitung in den 50er-Jahren noch zu wünschen übrig ließ.


Abb.22 Diethyldithiocarbaminsäure


Abb.23 Diacetyldioxim

Neben der Isolierung eines Analyten eröffneten die neuen Verfahren auch seine Aufkonzentrierung, indem die Volumina der extrahierenden Phasen geringer gewählt wurden als die der zu extrahierenden. Zusammen mit der technischen Verbesserung der Bestimmungsgrenzen durch die Photometrie waren nun Gehalte um 0,01 mg/l und darunter auch in der Serienanalytik zugänglich. Es ist deshalb wohl trotz früherer Vorstöße zu kleinsten Gehalten, die allesamt von großem Aufwand und wenigen Proben gekennzeichnet waren, zulässig, in die 50er-Jahre den wahren Beginn der anorganischen Spurenanalyse zu legen.
Wenn von metallorganischen Reagenzien die Rede ist, muss auch die Einführung der komplexometrischen Titration in Kassel und Darmstadt gegen Ende des Jahrzehnts mit ihrer Bedeutung für die Düngemittel- und Bodenanalytik vorgestellt werden. Die vom Schweizer Chemiker Gerold Schwarzenbach (1904-1978) Mitte der 40er-Jahre entwickelte Methodik fand in den Anstalten hauptsächlich Anwendung in der Calcium- und Magnesiumanalytik, deren Schwierigkeit in der Trennung beider Elemente lag, und löste aufwendigere gravimetrische und störanfälligere flammenphotometrische Verfahren ab. Auch heute werden die Erdalkalielemente in Düngemitteln z.T. noch komplexometrisch erfasst.
Der für diese Form der Titration zuerst aufgefundene und bis heute bekannteste Komplexbildner ist das Dinatriumsalz der Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) (Abb.24). Es vermag ein Metallkation über sechs Kontaktstellen hoher Elektronendichte an zwei Stickstoff- und vier Sauerstoffatomen koordinativ zu binden, was zu einem außerordentlich stabilen Metallkomplex führt. Man spricht bei EDTA von einem mehrzähnigen Liganden.


Abb.24 Dinatriumethylendiamintetraacetat (EDTA)

Zur komplexometrischen Titration ist neben einem starken Komplexbildner noch ein spezifischer Farbstoff erforderlich, der sich ebenfalls an das zu titrierende Element binden kann und in gebundener anders als in reiner Form färbt. Schwarzenbach bot bereits eine Palette an Farbstoffen an, heute sind über 50 geeignete Substanzen bekannt. Wird die Element-Farbstoff-Verbindung mit einem starken Komplexbildner bekannter Konzentration titriert, verdrängt er den Farbstoff aus der Metallbindung. Im Moment der völligen Freisetzung des Farbstoffs ändert die Lösung die Farbe, der Äquivalenzpunkt ist erreicht und die verbrauchte Menge Komplexbildner liefert die Elementkonzentration.
Welche Entwicklungen im Nachkriegsjahrzehnt hatten noch Auswirkungen auf die Elementanalytik?
In der Bodenuntersuchung, wo sich die jährlichen Probenzahlen beider Anstalten weiterhin nach Zehntausenden rechneten, gesellte sich zum Phosphor und Kalium das Magnesium. Bei den Mineraldüngern lichtete sich der Markt. Weniger Produzenten bedeuteten allerdings keinen Rückgang der Gesamtproduktion. Indes waren die Probenzahlen rückläufig, da die Produkte qualitativ besser wurden, die Produzenten dies über Selbstkontrollverträge mit dem VDLUFA absicherten und deshalb weniger Produktionskontrollen erforderlich wurden. Hingegen expandierten die Mineralstoffuntersuchungen an wirtschaftseigenen Düngemitteln und ersten Abfallstoffen der jungen Industriegesellschaft, die in der Landwirtschaft eine Entsorgungsmöglichkeit suchte. Dies führte gegen Ende des Jahrzehnts zu ersten Überlegungen, welche Schadelemente diesen Frachten beiwohnen könnten. Der Anstieg der Futtermitteluntersuchungen wegen der neuen Sortenvielfalt und der Ausweitung des Handels wurde bereits angesprochen. Hinzu kam neu die Amtliche Futtermittelkontrolle. Das Landwirtschaftliche Versuchswesen schließlich bemühte sich, den Forschungsergebnissen zur ganzheitlichen Mineralstoffversorgung der Pflanzen mit Makro- und Mikronährstoffen Rechnung zu tragen und war an beiden Standorten besonders mit Bor-, Kupfer-, und Magnesiumdüngungsversuchen Lieferant von Aufwuchsproben für die elementanalytischen Labore. Daneben liefen natürlich auch die klassischen Versuche mit N, P und K weiter.
Von der allgemein zunehmenden Prosperität des Landes profitierten auch die Anstalten. Nach dem Wiederaufbau und der Konsolidierung begann mit dem ausgehenden Jahrzehnt eine Phase mit verstärkten Investitionsmöglichkeiten. Personell und apparativ ging es aufwärts.
Beschließen wir das zweite halbe Jahrhundert elementanalytischen Schaffens im Hessischen Landwirtschaftlichen Untersuchungswesen mit den von Aufbruchstimmung und Optimismus geprägten 50er-Jahren, die auch der Chronist in Kindertagen recht faszinierend fand, und beginnen wir das dritte mit den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts und ihrem Start in die Atomspektrometrie und Laborautomatisation.
Vorher geht es noch einmal hinein in die Physik der modernen Analysentechniken, damit im letzten Kapitel das Lesen leichter fällt.

Von der Photometrie zur Atomspektrometrie

Wir waren im Kapitel über das ‚Licht im Dunkel der Elementanalytik’ bis zur Emissionstechnik ‚Flammenphotometrie’ und bis zur Absorptionstechnik ‚Photometrie’ vorgedrungen.
Abb.25 zeigt den in den 60er-Jahren in Kassel eingerichteten, mit Probengebern und Dosierpumpen automatisierten Messplatz für die Elementbestimmung in Bodenextrakten, der mit einem Flammenphotometer (links) für die Kalium- und einem Photometer (rechts) für die Phosphorbestimmung bestückt war. Das Photometer stammt wie das Photo allerdings aus den späten 70er-Jahren.
Während die Flammenphotometrie eine echte atomspektrometrische Technik ist, das Messsignal entspringt einer atomaren Eigenschaft, der Emission von Licht thermisch angeregter Atome, ist die Elementbestimmung per Photometer ein Umweg über eine Eigenschaft einer molekularen Verbindung eines Elements, der Absorption von Licht des sich dabei anregenden Moleküls. Der Vorteil der Flammenphotometrie ist die schnelle, direkte Verarbeitung von Analytlösungen, der gravierende Nachteil seine Beschränkung auf die wenigen durch chemische Flammen anregbaren Elemente.
Lediglich Natrium, Kalium und die restlichen Alkalielemente in Propan/- oder Butan/Luft-Flammen bei Flammentemperaturen um 800°C und Calcium, Magnesium und die restlichen Erdalkalielemente in der Acetylen/Luft-Flamme, erstmals eingesetzt in den 50er-Jahren, bei Flammentemperaturen um 2300°C sind so messbar.
Der große Vorteil der Photometrie ist die Vielzahl der bis zu sehr niedrigen Konzentrationen messbaren Elemente - geeignete Farbreagenzien gibt es seit den 50er-Jahren in großer Zahl -, der erhebliche Nachteil liegt in der langwierigen Aufarbeitung der Analytlösungen mit Anreicherung und Anfärbung und häufiger noch Abtrennung anderer Elemente für eine störungsfreie Messung. Die Vereinigung der Vorteile beider Methoden war natürliches Bestreben der Forschung und datiert bis in die frühen 40er-Jahre zurück. 
  

   

Abb.25 Messplatz mit Flammenphotometer undPhotometer

 

Ziemlich bald schloss man ein Atomabsorptionsverfahren aus. Es war zwar unproblematisch, Analyten in einer heißen Flamme zu atomisieren und damit analog der Küvette mit Analytlösung (s. Abb.14) in einem Photometer eine Zone zu schaffen, in der Licht aus einer Strahlungsquelle absorbiert werden konnte, doch die Quantifizierung der Absorption scheiterte an dem Problem, dass eine Flamme mit angeregter Materie genau auf der Absorptionswellenlänge Strahlung emittiert (s. Kirchhoffsches Strahungsgesetz im vorletzten Kapitel). Folglich ist eine ungestörte Messung der vom Analyten nicht absorbierten, durchgelassenen Strahlung auf der gewählten Absorptionswellenlänge eigentlich unmöglich, da sich immer emittierte Strahlung der gleichen Wellenlänge aufsattelt. Da man diese grundsätzliche Schwierigkeit für unüberwindbar hielt, wurde zunächst jegliche Forschung zum Messprinzip Atomabsorption eingestellt.
Im Fokus des Interesses stand nun, das Messprinzip Atomemission auf schwerer anregbare Atome als Alkali und Erdalkalimetalle zu übertragen. Sehr wohl bekannt war schon, dass hierzu die thermische Energie der heißesten chemischen Flammen nicht ausreichen würde. Die Versuche konzentrierten sich auf Verdampfungen im elektrischen Lichtbogen zwischen zwei Kohleelektroden, wobei die Probe entweder als Feststoff, verrieben mit Kohle, oder über ein Tauchverfahren flüssig in eine Vertiefung einer Elektrode eingebracht wurde. Das klingt nach heutigen Maßstäben langwierig und war es auch, da die Kohlen vor jeder neuen Messung präpariert werden mussten und auch die Dosierung hohe Sorgfalt erforderte. 
Was allerdings noch länger währte, war die Probenvorbereitung. Da kein geeignetes Monochromator-Detektor-System zur Verfügung stand, das in der Lage gewesen wäre, aus der Emissionslinienvielfalt aller Probenbestandteile eine spezifische quantitative Messung einzelner Elemente zu gestalten, schaltete man ein Procedere zur Abtrennung der Probenmatrix und Anreicherung der Analyten vor, dass dem Prinzip der Probenvorbereitung zwischen nicht mischbaren Phasen der oben geschilderten photometrischen Zinkbestimmung mit Dithizon entsprach. In der letzten Phase wurde nur kein einzelnes Element isoliert, sondern mehrere, eben die gewünschten. Nun wurde entweder eingedampft für die Feststoffvariante oder die Phase direkt verwendet für die Tauchvariante. Damit war die Vorbereitung jedoch keineswegs zu Ende, sondern das Messprinzip, eine Intensitätsauswertung der Emissionslinien auf einer Photoplatte erforderte, dass zumindest der Gehalt eines Elementes in der Phase exakt bekannt sein musste. Zumeist entschied man sich für Eisen, dass nahezu in jeder Probe in gut messbarer Menge anzutreffen war. Die Gehaltsermittlung erfolgte in der Regel photometrisch über den oben beim kolorimetrischen Verfahren schon geschilderten Dipyridylkomplex (s. Abb.16).
Nun, mit einem so aufwendigen Analysengang hatte die Atomemissionstechnik zu Beginn der 50er-Jahre keinerlei Vorteile gegenüber der Photometrie und war ihr auch in der Nachweisstärke nicht überlegen. Es war eigentlich nur bewiesen, dass mit einer entsprechend hohen thermischen Anregung eine quantitative Messung per Atomemission je nach Analyt von rund 0,1 mg/kg bis zu einigen 100 mg/kg möglich war. Nach Kenntnis des Chronisten wurde das Kohlelichtbogenverfahren auch nie in einer landwirtschaftlichen Untersuchungsanstalt eingesetzt.
Der große Durchbruch der Atomspektrometrie als routinemäßig in der Element- und Spurenelementanalytik einsetzbares und rationelles Verfahren gelang dann 1952 doch überraschenderweise auf dem Gebiet der Atomabsorption. Laut Überlieferung bei der Gartenarbeit habe den englischen Physiker Alan Walsh (1916-1998) die Idee der modulierten Strahlungsquelle ereilt. Entweder mit einem mechanischen Zerhacker (Chopper) oder einer elektrisch aufgesattelten Frequenz lässt sich der zu absorbierende Lichtstrahl dergestalt modulieren, dass ein auf diese Modulation abgestimmter Detektor nur das Licht der Strahlungsquelle verwertet und nicht mehr die bisher auf der Absorptionswellenlänge interferierende Emission der Flamme bzw. der thermisch angeregten Probe. 
Es dauerte nach Veröffentlichung des Prinzips 1955 noch ein knappes Jahrzehnt, bis sich nach der Entwicklung stabiler Strahlungsquellen (Hohlkathoden- und elektrodenlose Entladungslampen) und dem hilfreichen Ruf aus der US-amerikanischen Medizin nach hohen Stückzahlen schneller, verlässlicher Serumanalysen auf Calcium - photometrisch wie flammenphotometrisch nie ganz zufriedenstellend gelöst - die neue Technik kommerziell lohnte und etablierte.
  

   

Abb.26 Flammen-AAS-Gerät um 1965

 

Die Atomabsorptionsspektrophotometrie, kurz AAS, trat ihren Siegeszug an. Sie war und ist wie alle optischen Verfahren kein Absolutverfahren, sondern bedarf der Kalibrierung mit Lösungen bekannter Analytgehalte. Sie ist ein sequentielles Verfahren, ein Element wird nach dem anderen gemessen. Lange war sie ein reines Flammenverfahren unter Einsatz der schon bekannten Luft-/Acetylen-Flamme und anderer Brenngasgemische, von denen vor allem die um 2800°C heiße Lachgas (N2O)-/Acetylen-Flamme weite Verbreitung fand. Ohne Anreicherung lag die erreichbare Bestimmungsgrenze der Flammen-AAS für einige gut bestimmbare Analyten wie Cadmium um 0,02 mg/l in der Analysenlösung oder auch ‚ppm’ (‚parts per million’), wie es nun lange Jahre anglophil hieß, bis schließlich das heimatverbundene ‚mg/l’ oder ‚mg/kg’, wenn ein Feststoff die Bezugsgröße ist, obsiegte.
So mancher Spurenanalytiker vermisst seine ‚ppm’, verdeutlichte doch ein ‚1 Teil auf 1 Million’ dem zum Staunen ausersehenen Laien so viel anschaulicher die schwer vorstellbare Dimension von 10 hoch minus 6. Und aus mg/kg konnte auch nicht das noch anschaulichere ‚1 Preuße pro München’ abgeleitet werden. Und bei ‚ppb' (‚parts per billion') war die Erklärung ‚1 Preuße pro Bayern' doch eine humorvolle Steigerungsform. Nun zugegeben, da ‚billion' ja doch ‚nur' eine 'Milliarde' ist, und es auch nicht so viele Bayern gibt, liegt im deutschen µg/l bzw. µg/kg mehr Klarheit.
In diesen Mikrogrammbereich stieß die Flammen-AAS allerdings nur vor, wenn im Labor ausreichend Dithizon oder vergleichbare Organika und chlorierte Lösungsmittel vorrätig waren. Von der Doppelfunktion als Anreicherungs- und photometrisches Farbreagenz blieb für Dithizon und seinesgleichen nach Einführung der Flammen-AAS zumeist nur die erstere.
  

   

 

Abb.27 Flammen-AAS-Gerät um 1975

Abb.28 Brenner eines
Flammen-AAS

Doch schon nahte mit der flammenlosen Graphitrohr-AAS das Ende der dithizongeprägten Aera. Entwickelt Mitte der 60er-Jahre und zur kommerziellen Reife in den 70er-Jahren gelangt, eröffnete sie dem Spurenanalytiker für einen Großteil des Periodensystems die Dimension ‚10 hoch minus 9’ für die durchsatzstarke Routineanalytik.
Graphit hat einen hohen elektrischen Widerstand und lässt sich im Stromfluss bis zu 3000°C aufheizen. In einem Rohr aus Graphit lassen sich deshalb ebenso wie in einer heißen chemischen Flamme Verdampfung und anschließende Atomisierung einer Analysenlösung erreichen. Wird der Lichtstrahl einer Strahlungsquelle auf die Atomwolke im Rohr gerichtet, absorbieren die Atome des Analyten, für den die eingestrahlte Wellenlänge spezifisch ist, entsprechend ihrer Konzentration Licht und die absorbierte Menge liefert wieder die quantitative Information.
Der Sprung um rund drei Zehnerpotenzen in der Nachweisstärke findet seine Erklärung in der höheren Verweilzeit der Atomwolke im Rohr im Vergleich zur Flamme, der zwar ständiger Nachschub durch Ansaugung der Analytlösung zur Verfügung steht, in der die Atomkonzentration aber dadurch nicht erhöht wird, da ebenso ein stetiger Austrag aus der Flamme erfolgt. Aus dem Rohr, wenn nicht durch Ausblasen gewollt, tritt die Atomwolke nur sehr langsam durch Diffusion aus, Zeit genug, dass jedes Atom mehrfach vom unangeregten in den angeregten Zustand wechseln kann und jedesmal seine Portion Licht absorbiert. Anschaulich können also µg Analyt im Rohr ebenso viel Licht absorbieren wie mg in der Flamme, in der andererseits µg keine Chance hätten, überhaupt messbare Lichtschwächungen zu verursachen. Die Graphitrohr-AAS verdrängte die Flammentechnik nicht, sondern ergänzte sie für niedrige Konzentrationsbereiche. Höhere Konzentrationen im Rohr bedingen eine Totalabsorption, ohne Verdünnung ist keine Messung mehr möglich und die Flammen-AAS dann die geeignete Alternative.
Zwei spezielle Atomisierungstechniken, das Hydrid- und das Kaltdampfverfahren, erlangten neben Flammen- und Graphitrohrtechnik in den 70er-Jahren Bedeutung und sind im modernen elementanalytischen Labor sogar oft die einzigen Überlebenden der AAS-Aera. In beiden Fällen geht es um die auf Grund ihrer chemischen Eigenschaften mögliche Abtrennung einzelner Elemente von der restlichen Probenmatrix mit dem Vorteil, dadurch wesentlich ungestörtere Messungen bei recht hoher Nachweisstärke verifizieren zu können.
Arsen (As), Selen (Se), Antimon (Sb) und wenige andere Elemente bilden unter Reduktion mit Hydriden - in der Regel wird Natriumborhydrid (NaBH4) eingesetzt - selbst flüchtige Hydride (AsH3 etc.), die mit Inertgas aus der Analysenlösung ausgeblasen und in einen Atomisierungsraum eines Atomabsorptionsspektrometers, meist als heizbares Quarzrohr ausgeführt, verbracht werden können. Dort werden sie bei rund 800°C atomisiert, und die hydridbildenden Elemente auf ihren spezifischen Absorptionswellenlängen vermessen.
Noch einfacher gelingt die Abtrennung des Quecksilbers (Hg) aus der Analysenlösung. Auf Grund seines hohen Dampfdrucks lässt sich das Element in reiner Form ausblasen, nachdem es durch Reduktion seiner Verbindungen in der Analysenlösung erzeugt worden ist. Der Weg des Hg-Dampfes gleicht dem der Hydride, indes erübrigt sich eine thermische Atomisierung, da der atomare Zustand ja bereits erreicht ist. So findet die Absorption unter den ‚kältesten Bedingungen’ aller AAS-tauglichen Elemente statt, was dem Verfahren seinen Namen gab.
Das nicht nur ‚kälteste’, sondern auch nachweisstärkste AAS-Verfahren aller Elemente wird daraus, wenn das Quecksilber vor der Messung noch aufkonzentriert wird. Dies gelingt durch Amalgambildung an Metalloberflächen, sehr geeignet ist Gold. Amalgame sind die Legierungen des Quecksilbers mit Metallen, bilden sich mit Hg-Dampf rasch und lassen sich thermisch wieder zersetzen. Ein zwischen Analysenlösung und AAS-Gerät platziertes Goldgewebe von großer Oberfläche kann das Quecksilber auch mehrerer Analysenlösungen anreichern und auf einen Schlag durch Erwärmung freisetzen, was natürlich im Absorptionsbereich eine ungleich höhere Konzentration an Atomen ermöglicht, als es allein durch das kontinuierliche Ausblasen aus der Analysenlösung erreichbar wäre.
So lassen sich Nano- und Pikogrammmengen Quecksilber nachweisen, vorausgesetzt ein Labor ist kontaminationstechnisch für Ultraspurenanalysen eingerichtet. Ein übliches, gut ausgerüstetes Spurenelementlabor im landwirtschaftlichen Untersuchungswesen wird sich mit 0,01 µg/l bescheiden und damit allen heutigen Anforderungen gewachsen sein.
  

   

Abb.29 Quecksilber-Kaltdampf-AAS

 

Abb.29 zeigt das aktuell in Kassel seit 2001 eingesetzte Kaltdampf-AAS mit kontinuierlicher Probenzuführung (Schlauchpumpen vorn), Amalgamsystem (oben) und kontaminationsgeschütztem Probengeber (links). Strahlungsquelle ist eine Quecksilberdampflampe, Absorptionsbereich ein beheiztes Quarzrohr (hinter dem Sichtschlitz).
Innovation hat die Atomabsorptionsspektrophotometrie bis heute reichlich erfahren: Kompensationstechniken für spektrale Interferenzen (Untergrundkompensation), fortschreitende Automatisierung inclusive PC-Steuerung, schnellere quasisimultane Strahlungsquellenrotation, Einsatz von Kontinuum- statt elementspezifischer Strahlungsquellen, andere Graphitrohrgeometrien, Feststoff- und Suspensionsverarbeitung in Graphitrohren, kontinuierliche Hydridgenerierungs- und Probenzuführungssysteme, Kopplung der Graphitrohr-AAS mit der Hydridtechnik und anderen Probenvorbereitungssystemen u.v.a.m. und sie steht in der anorganischen Analytik wie keine zweite Technik für den rasanten instrumentellen Wandel der Laborlandschaft der letzten 50 Jahre.
Trotzdem wurde sie als Folge der gesellschaftlichen und politischen Anforderungen an die Labore des landwirtschaftlichen Untersuchungswesens bis heute in vielen ihrer Anwendungen von noch schnelleren und durchsatzstärkeren instrumentellen Messverfahren der Atomspektrometrie abgelöst.
Den Anfang machte die ICP-Atomemissionsspektrophotometrie (ICP-AES), die nach und nach der Flammen-AAS den Rang ablief, sich aber auch für niedrigere Konzentrationsbereiche als diese einsetzen ließ. Es folgte die ICP-Massenspektrometrie (ICP-MS), die sukzessive Aufgaben von der Graphitrohr-AAS übernahm. Und schließlich erreichte die direkte Elementanalytik aus der Festprobe eine neue Dimension mit labortauglichen Röntgenfluoreszensspektrometern.
Die Entwicklung einer durch elektromagnetische Hochfrequenzinduktion erzeugten Plasmafackel (ICP = ‚inductive coupled plasma’) als thermische Anregungsquelle bringt gemeinsam mit neuen Techniken zur Herstellung leistungsfähiger Gittermono- und polychromatoren dem Messprinzip Atomemission den lang erstrebten Durchbruch im elementanalytischen Labor. Bei Temperaturen um 8000°C lässt sich eine Vielzahl von Elementen im Gasplasma anregen. Um 1975 kommen die ersten Geräte auf dem Markt, das bevorzugte ‚Brenngas’ ist Argon, es wird es bleiben. Noch sind die Spektrometer in der Auswertung relativ langsam, weil bei komplexer Probenzusammensetzung eine Vielzahl von Emissionslinien auszuwerten ist. Doch es ist das Geburtsjahrzehnt des Microprozessors. Ende der 70er-Jahre hat er die Spektrometrie erobert und revolutioniert die Mess- und Auswertegeschwindigkeiten von Photometrie, AAS, AES etc. Ganz besonders aber profitiert die Atomemissionsspektrophotometrie durch jetzt rechnergesteuerte Mono- oder Polychromatoren. Solange sie mit einem Monochromator arbeitet, bleibt die AES zwar ein sequentielles Verfahren wie die AAS, steuert jetzt allerdings die Emissionslinien so schnell und präzise an, dass ein quasi simultaner Betrieb resultiert, arbeitet sie gar mit einem Polychromator, der eine ganze Gruppe parallel geschalteter Monochromatoren ersetzt, ist der Betrieb gänzlich simultan.
Abb.30 zeigt das erste für die Anstalt in Kassel 1988 beschaffte ICP-AES, das bis 2007 noch seinen Dienst tat und auch mit einem Polychromator ausgerüstet ist. Der abgebildete PC stammt allerdings aus den 90er-Jahren und repräsentiert schon die Enkel- oder Urenkelgeneration der angesprochenen Mikroprozessoren.
  

   

Abb.30 ICP-Atomemissionsspektrometer

 

Ob gänzlich oder nur quasi simultan, die Überlegenheit der ICP-AES gegenüber der Flammen-AAS war rasch offensichtlich, Dutzende von Elementen konnten nun gleichzeitig, mit geringeren spektralen Störungen und ohne Einschränkung, ob geeignete Hohlkathoden- oder elektrodenlose Entladungslampen verfügbar waren, bestimmt werden. Dennoch hat eine Fackel, ob nun physikalisch oder chemisch erzeugt, die schon geschilderte Beschränkung, dass angesaugter Analyt nicht lange verweilt, es damit auch für die ICP-AES eine natürliche Grenze der Nachweisstärke gibt. Sie lässt sich mit besonderen Techniken, etwa mit Ultraschallzerstäubung, zwar unter die der Flammen-AAS drücken, jedoch nicht so niedrig, dass die ICP-AES auch Konkurrent der Graphitrohr-AAS hätte werden können. Die ICP-Massenspektrometrie (ICP-MS) wurde es dann.
Mit der ICP-MS etabliert sich kommerziell ab 1985 eine atomspektrometrische Technik, deren Messprozess nicht optisch ist. Atomisiert und angeregt in der gleichen Art Plasmafackel wie wir sie gerade kennen lernten, gelangt das Probenaerosol über ein Interface in ein Massenspektrometer. Dort werden die Atome durch Elektronenbeschuss ionisiert, die Ionen als geladene Teilchen in einem elektrischen Feld beschleunigt und durch elektrische Linsen fokussiert, und der Ionenstrahl in ein Magnetfeld mit variierbarer Stärke gelenkt. Ionen gleicher Masse und Ladung und deshalb gleicher Geschwindigkeit werden abhängig von der Magnetfeldstärke gleichartig abgelenkt. Durch Veränderung der Magnetfeldstärke ist es somit möglich, die verschiedenen Ionenarten getrennt nach ihrer Masse auf einen ladungsregistrierenden Detektor zu lenken. Die Masse charakterisiert das gefundene Element qualitativ, die gemessene Gesamtladung aller dem Element zugehörigen Ionenladungen liefert im Vergleich mit geeigneten Kalbrierproben die quantitative Information. Somit ist auch die ICP-MS kein absolutes, sondern ein vergleichendes Messverfahren. Seine Nachweisstärke gestattet es, noch Konzentrationen im Submikrogrammbereich bezogen auf die Analytlösungen sicher zu analysieren. Grenzen hat die MS dort, wo Massen unterschiedlicher Ionen gleich sind, störend hier insbesondere solche, die sich durch Verbindungsbildung mit dem ‚Brenngas’ Argon bilden (Argide). Seit einigen Jahren lässt sich hier mit sogenannten Reaktions- oder Kollisionszellen Abhilfe schaffen, in denen Störionen durch Reaktion mit einem Fremdgas am Eintritt in das Magnetfeld gehindert oder Analytionen (z.B. Arsen (As+), Masse: 75) durch gezielte Umsetzung mit einem Fremdgas (z.B. Sauerstoff (O2)) bei anderer Masse (z.B. AsO+, Masse: 91) detektiert werden können. Die Zellentechniken haben die Zahl der mit der ICP-MS erfassbaren Elemente deutlich erhöht.
Röntgenfluoreszensspektrophotometrie (RFA) ist die jüngste verfügbar gewordene instrumentelle Technik in der Routineelementanalytik. Geeignete Spektrometer sind seit Mitte der 90er-Jahre im Handel. Die bestimmbaren Konzentrationen reichen von wenigen bis zu einigen hundert mg/kg, was andere vorgestellte atomspektrometrische Techniken auch leisten. Das Besondere ist auch keineswegs die Nachweisstärke, sondern die Geschwindigkeit der Bestimmung, da die chemische Probenvorbereitung entfällt, und die Anwendbarkeit auf Elemente, die mit anderen atomspektrometrischen Methoden nicht oder nur schlecht erfasst werden können, z.B. die Halogene.
  

   

Abb.31 Geeignete atomspektrometrische Messtechniken

Schon aus der Graphitrohr-AAS war der direkte Einsatz von Festproben geläufig. Breite Anwendung erfuhr diese Technik jedoch nicht, da nur mit relativ geringen Mengen gearbeitet werden kann und mangelnde Probenhomogenität dann größere Fehler bedingt. Eine bessere Homogenisierung ist jedoch oft so aufwändig, dass alternativ auch gleich eine chemische Probenvorbereitung (Aufschluss oder Extraktion) und Herstellung einer homogenen Analysenlösung zeitlich konkurrieren kann. Das Homogenitätsproblem ist für die RFA wegen der größeren einsetzbaren Probenmenge (bis zu mehreren Gramm) weit weniger existent, eine hinreichende Vermahlung und Vermischung mit anschließender Komprimierung zu einem Pressling aber für jede Probe erforderlich und Voraussetzung einer korrekten Messung. Sie geschieht wieder nach einem optischen Prinzip. Der Probe wird Röntgenstrahlung zugeführt, die sie absorbiert. Die aufgenommene Energie verursacht verschiedene Elektronenprozesse (Anregung, Platztausch etc.) und wird schließlich abhängig vom jeweiligen Prozess in unterschiedlicher Form wieder emittiert. Ein Anteil, die sogenannte Fluoreszensstrahlung, wird für die qualitative und quantitative Auswertung genutzt. Jedes Element hat spezifische Fluoreszenswellenlängen.
Abb.31 verdeutlicht noch einmal farblich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, welche Elemente sich heute mit welchen der vorgestellten atomspektrometrischen Methoden am besten bestimmen lassen.
Absicht des Kapitels sollte es nicht sein, den Leser mit allen Detailentwicklungen der Atomspektrometrie der letzten 50 Jahren vertraut zu machen, sondern für das folgende Kapitel eine gewisse Vorstellung zu vermitteln, was die Analysensysteme zu leisten vermögen, die da unentwegt für erkleckliche Barschaft beschafft werden, und für die fulminante instrumentelle Revolution und Rationalisierung in der Elementanalytik gesorgt haben.

Das dritte halbe Jahrhundert

Es hat nach Vorstellung von soviel Messtechnik etwas tröstlich Konservatives, dass im Laufe der 60er-Jahre in Kassel die Fluoranalytik in Futtermitteln und Pflanzen entwickelt wurde, und wir vor den atomspektrometrischen Zeiten noch ein Element in Augenschein nehmen können, das sich dem neuen instrumentellen Ansturm noch nicht ergab, noch Anspruch auf eine klassischere Behandlung anmeldete.
Auch den analytischen Chemikern in Darmstadt und Kassel wurde in diesem Jahrzehnt deutlich, die goldenen Zeiten der Entdeckung, Entwicklung und Anwendung hochspezifischer chemischer Reagenzien, zugegeben oft aufwendig, aber immer spannend, neigten sich dem Ende zu. Physik und Technik eroberten das Labor, und die chemischen Eigenschaften der Analyte traten gegenüber den physikalischen in den Hintergrund. Ein neuer Industriezweig der Produktion wissenschaftlich-technischer Geräte entstand, die analytische Chemie stellte finanzielle Anforderungen in nie gekannter Höhe und die Analytiker erhielten eine neue Verantwortung, die Angebote dieser Industrie fachlich und kostenbewusst zu bewerten.
Nun, bei der Fluorbestimmung wurde noch destilliert und titriert, der Grund der Fluoranalytik war aber ein ebenso neues Szenario wie es die instrumentelle Aufrüstung darstellte, das wachsende Umweltbewusstsein und der Wunsch nach Umweltschutz. Und eben jenes bzw. jener wurde in diesem Jahrzehnt für die Elementanalytik wegweisend, erweiterte das Spektrum der untersuchten Elemente und bedingte weiteren Bedarf an Automatisation und Nachweisstärke. Es war ein z.T. sich gegenseitig bedingender Prozess, denn manche Umweltproblematik verdankte ihre Entdeckung erst den neuen Analysenautomaten.
Schauen wir zum Fluor (F). Fluorwasserstoff- (HF), Siliciumtetrafluorid- (SiF4) und andere gasförmige Fluoridemissionen sowie fluoridhaltige Stäube entwichen ungefiltert Aluminiumhütten, Ziegeleien, Keramik- und Düngemittelfabriken und erhöhten in ihrer Umgebung die natürlichen Gehalte in Pflanzenteilen von 0,5 - 10 mg/kg auf ein Vielfaches von bis zu 200 - 1000 mg/kg. Abwaschbar zeigte sich nur etwa die Hälfte des Fluors, die Pflanzen entwickelten erhebliche phytotoxische Schäden. Um diese ursächlich zuordnen zu können, diente für Pflanzen und Futtermittel folgende Methode. Unter Zusatz von Quarz (SiO2) wurden die Fluoride mit Perchlorsäure aufgeschlossen und als flüchtige Fluorkieselsäure (H2SiF6 od. SiF4 x 2 HF) per Wasserdampfdestillation von der restlichen Matrix getrennt. Im Destillat erfolgte die Fluorbestimmung durch Titration mit Thoriumnitrat (ThNO3) und Alizarinsulfonsäure als Indikator, die mit Thorium einen roten Farbstoff bildet, wenn kein weiteres Thoriumfluorid (ThF4) mehr gebildet wird.
1973 war die Fluoranalytik in Futtermitteln in Kassel dann soweit ausgebaut, dass größere Serien gefahren werden konnten. So wurden 130 Heu- und Maissilageproben mit Gehalten zwischen 1,0 und 39,5 mg/kg analysiert. Als unbedenklich galt ein Gehalt von <15 mg/kg, und in 95% der Proben wurde diese Grenze nicht überschritten. Aber auch der Höchstgehalt lag nicht mehr in den Dimensionen, wie sie noch wenige Jahre zuvor beklagt wurden, ein deutliches Indiz dafür, dass sich zumindest im nordhessischen Einzugsbereich der Anstalt die Kontaminationssituation durch Einsatz von Filtertechnik durch die Industrie entspannt hatte. Da gleichzeitig Gefäßversuche des Landwirtschaftlichen Versuchswesens belegten, dass der Transfer Boden-Pflanze für Fluor eine untergeordnete Rolle spielte, wurden die Fluorbestimmungen in Futtermitteln zur Kontrolle zwar noch etliche Jahre weitergeführt, in den 80er-Jahren aber schließlich eingestellt.
Eine Umweltproblematik mit erheblich längerer Lebensdauer und intensiverer Beachtung durch die Öffentlichkeit wurde Ende der 60er-Jahre dann zu einem wichtigen Argument für den Einstieg in die Atomspektrometrie in Darmstadt und Kassel, die Bleibelastung durch den Straßenverkehr.
Als sogenanntes ‚Antiklopfmittel’ für Ottomotoren mischte die Mineralölindustrie ihren Raffinaten das metallorganische Bleitetraethyl (Pb(C2H5)4) in Konzentrationen bis zu 500 mg Blei/l zu. Rund 50% davon wurde via Auspuffgase in die Umwelt verbracht und machte den Begriff ‚Schwermetall’ in ganz anderer Weise, als ihn die Chemie als ‚metallisches Element mit einem spezifischen Gewicht größer 5 g/cm3’ definiert, negativ publik. Da die Giftigkeit von Blei vielen Menschen geläufig war, und sie nun das Element als Schwermetall definiert bekamen, vermengten sich, wie auch bei Presse und Politik, die Begriffe, und ‚Schwermetall’ wurde fortan meist ohne Ansehen der Dosis mit ‚Umweltgift’ und ‚gefährlichem langlebigem Schadstoff’ gleichgesetzt. Dabei wirkte wissenschaftlich unterstützend, dass bei Blei keinerlei essentielle Qualität als Spurenelement entdeckt wurde. Andererseits war weitgehend unbekannt, dass zahlreiche essentielle Spurenelemente Schwermetalle im chemischen Sinn waren und ihr segensreicher oder umweltbelastender Charakter lediglich von der wirkenden Menge abhing. Als sich dann sogar Elemente, die der chemischen Definition nicht entsprachen wie Arsen, Selen oder Antimon in der Umweltdiskussion zum Umweltbegriff ‚Schwermetalle’ gesellten, führte dieser in der Öffentlichkeit fortan ein von der chemischen Nomenklatur befreites Eigenleben.
Wie wir schon erfahren haben, gab es nachweisliche Schwermetallbestimmungen im mg/kg- oder mg/l-Maßstab im hessischen landwirtschaftlichen Untersuchungswesen bereits 1900, und in den folgenden fünf Jahrzehnten wurde immer wieder einmal eine kolorimetrische oder später photometrische Schwermetallanalyse im speziellen Kontaminationsfall durchgeführt. Ab den 50er-Jahren waren dann häufigere Schwermetallbestimmungen im Rahmen der Spurenelementanalytik erfolgt, aber erst die Flammen-AAS ermöglichte die Serienanalytik, nach der die neue Umweltdiskussion verlangte.
Das erste Flammen-AAS-Gerät schmückte 1968 das Kasseler Labor, vorgesehen aber nicht für die Schwermetallanalytik, sondern zur Abdeckung des stark gestiegenen Bedarfs an Magnesiumbestimmungen in Böden. Das Erdalkalielement Magnesium ließ sich flammenphotometrisch nicht sehr gut bestimmen, war hingegen so ideal mit der Flammen-AAS erfassbar, dass diese Messung als einziges Flammen-AAS-Verfahren bis heute im hessischen landwirtschaftlichen Untersuchungswesen überlebt hat (Abb.32). Um eine Totalabsorption, wie oben für die Graphitrohrtechnik geschildert, zu verhindern, muss, da es sich bei Magnesium ja nicht um ein Spurenelement handelt, der für die spurenanalytische Anwendung konzipierte Absorptionsweg durch die Flamme gemäß dem Lambert-Beerschen-Gesetz verkürzt werden, was durch einfache Drehung des Brenners aus der Längs- (Abb.28) in die Querstellung zum Lichtstrahl der Hohlkathodenlampe möglich ist, in Abb.32 an der schmalen Flamme erkennbar.
Auf diesem AAS-Gerät gelangen aber auch die ersten Gehversuche in der Bleianalytik. Bodenanalytik zumeist aus 1- oder 2-molarem Salzsäureauszug im mg/kg-Bereich war direkt möglich, Pflanzenanalytik nach Säureaufschluss im µg/kg-Bereich nach Anreicherung mit Dithizon.
Systematisch waren diese Gehversuche noch nicht. Die ersten systematischen Untersuchungen unter Einbezug der als umweltschädigend ebenso kritisch oder noch kritischer als Blei einzustufenden, wenn auch nicht aus einer so ubiquitären Quelle wie dem Straßenverkehr stammenden Schwermetalle Cadmium (Cd) und Quecksilber (Hg) erfolgten ab 1971 in Darmstadt an Aufwuchs, nachdem auch dort die Flammen-AAS eingerichtet worden war. Hauptquellen der Kontaminationen in der Landwirtschaft durch diese Schwermetalle waren die Düngung und bei Quecksilber auch die Saatgutbeize.
  

   

Abb.32 Aktuelles Flammen-AAS-Gerät für die Mg-Bestimmung
in Bodenextrakten

 

Bevor wir die hinsichtlich der Schwermetallanalytik illustren 70er- und 80er-Jahre Revue passieren lassen, sei noch ein zusammenfassender Blick auf die 60er geworfen.
Das traditionelle Kerngeschäft der Elementanalytik, die Mineralstoffanalytik an Düngemitteln, Futtermitteln und Böden lief weiter, erlebte jedoch einen gewissen Rückgang an Bedeutung, da in einer wieder mit Nahrungsmitteln versorgten und zu Wohlstand gekommenen Gesellschaft Raum für andere Wünsche, aber auch Ängste entstand, was die Sicherung des Wohlstandes, der gesunden Ernährung oder der Gesundheit allgemein anbetraf.
Die Elementanalytik erweiterte ihren Horizont durch die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über Mikronährstoffe bzw. essentielle Spurenelemente und anorganische Schadstoffe, die, wie erläutert, nun gern unter dem Begriff 'Schwermetalle' subsummiert wurden, beträchtlich und verfügte gegen Ende des Jahrzehnts auch über die ersten Analysenautomaten, die in der Lage waren, den reichlichen Hunger der Gesellschaft nach elementanalytischen Daten zu befriedigen.
In Kassel widmete man sich z.B. nach vielversprechenden Düngungserfolgen in Norddeutschland intensiv der Erforschung der Kupferversorgung hessischer Böden und hessischen Aufwuchses. Rund 1200 Boden- und 500 Heuproben zeigten ein Bild ausreichender Gehalte im Heu, aber z.T. unbefriedigender Versorgung der Böden. Begleitet wurde das Programm bis 1975 von Feld- und Gefäßversuchen des Landwirtschaftlichen Versuchswesens.
In Programmen um Spurenelemente sah sich die Landwirtschaftliche Versuchsanstalt nun auch besonders als Mittlerin zwischen Wissenschaft und Praxis. Es soll deshalb im weiteren Bericht auch nur mehr sporadisch auf die Makroelemente 'NPK & Co.' geblickt werden, der Leser möge sie aber, da sie auch heute noch einen hohen Untersuchungsanteil in der Elementanalytik beanspruchen, bei den weiteren Schilderungen über Spurenanalytik nicht als beendete Parameter empfinden.
Allerdings gingen die ehemals dominierenden Mineraldüngeruntersuchungen mit der Einführung der Amtlichen Düngemittelkontrolle Ende der 60er-Jahre nochmals zurück, eine Fortsetzung des Trends aus den 50ern und bedingt durch die weiterhin verlässliche Produktion. Ein neues Arbeitsfeld mit Schadstoffaspekten tauchte stattdessen im Zuge der angestrebten landwirtschaftlichen Verwertung von Siedlungsabfällen auf.
Auf ein besonderes Kapitel Elementanalytik soll in dieser Chronik nur verwiesen werden, da es in einem Band der in den 90er-Jahren verlegten Schriftenreihe der Hessischen Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt hinreichend beschrieben ist, das Messwesen radioaktiver Isotope in Umweltproben. Ausgelöst durch den Fallout der Kernwaffenversuche der 50- und 60er-Jahre wurde auch die Versuchsanstalt ab 1962 in das nationale Überwachungsprogramm eingebunden. Sie leistete in einem eigens eingerichteten Dezernat in Darmstadt zunächst nur die aufwändige Probenaufarbeitung und ließ die Messungen außerhäusig durchführen, stieg aber 1972 im Rahmen der Umgebungsüberwachung des hessischen Kernkraftwerkes Biblis selbst in das Messwesen ein. Große Bedeutung erlangten die Radioaktivitätsmessungen 1986 und dessen Folgejahren nach dem tragischen Kernkraftwerksunfall in Tschernobyl. Im Jahr 2000 wurde dieser Aufgabenbereich der Elementanalytik an eine andere hessische Behörde verlagert.
Die 60er-Jahre endeten mit dem 'Gesetz über die Auflösung der Land- und Forstwirtschaftskammern Hessen-Nassau und Kurhessen', und 1970 nach über 100 Jahren resultierte da-raus die Vereinigung beider Anstalten unter der Regie der hessischen Agrarverwaltung und der gemeinsame Name 'Hessische Landwirtschaftliche Versuchsanstalt' (HLVA).
Für die Element-, insbesondere die Mikroelementanalytik mit Umwelthintergrund hatte dies in den Folgejahren die Konsequenz einer Art Aufgabenteilung zwischen Kassel und Darmstadt, die zwar nicht alle bestehenden Parallelarbeiten aufhob, aber teilweise schon vorhandenen Schwerpunkten folgend in Darmstadt mehr die Bearbeitung landwirtschaftlicher Produkte (Aufwuchs, Fleisch, Fisch etc.) und in Kassel mehr die Bearbeitung landwirtschaftlicher Produktionsmittel (Boden, Düngemittel, Siedlungsabfälle, wirtschaftseigene Futtermittel etc.) und von Proben aus dem Landwirtschaftlichen Versuchswesen konzentrierte. Bei den Handelsfuttermitteln blieb es bei der Bearbeitung an beiden Standorten.
Die 70er- und 80er-Jahre brachten der Elementanalytik vor dem Hintergrund neuer gesellschaftlicher Standpunkte zu Qualität und Schadstofffreiheit landwirtschaftlicher Produkte und Produktionsgrundlagen einen ungeahnten Aufschwung. Die Anstalt wurde dem gerecht, indem sie 1976 in Darmstadt und 1980 in Kassel zwei neue Dezernate für Aufgaben in der Element- und Umweltanalytik einrichtete und zwei weitere Chemiker an Bord nahm. 1978 wurde auch dem starken Zuwachs der elementanalytischen Arbeiten in der Analytik von Siedlungsabfällen mit der Errichtung neuer Laboratorien in Kassel Rechnung getragen.
Das zuständige Ministerium stellte der Elementanalytik für die erforderliche Ausstattung mit zunächst Atomabsorptionstechnologie, später anderen atomspektrometrischen u.w. Analysen- und Probenaufschlusssystemen Mittel in bisher nicht gekanntem Umfang zur Verfügung. In den 80ern beteiligten sich dann auch die Forstbehörden aus noch zu beschreibenden Entwicklungen heraus an der instrumentellen Aufrüstung.
Nach dem Selbstverständnis landwirtschaftlicher Untersuchungsanstalten waren sie schon immer mit dem Schutz der Umwelt betraut und betrachteten es als konsequent, dass politischer Wille sie im 'Überwachungsbereich Landwirtschaft' einsetzte. In der gesellschaftlichen Bewertung war der Stand der Landwirtschaft und der u.a. für ihr Wohl arbeitenden Untersuchungsanstalten keineswegs so eindeutig auf der Seite der 'Guten', und es bedurfte einer umfangreichen Leistung in der Umweltanalytik, den Ruf der Anstalten als Garanten von Nahrungsqualität und Schadstofffreiheit zu manifestieren.
Die Elementanalytik tat das ihre dazu. Seit 1973 sind für die vereinte Anstalt wieder durchgängig Jahresberichte verfügbar, die das mit Untersuchungszahlen und auch Berichten über Schwermetallvegetationsversuche belegen. Der Chronist kann daraus nur eine Auswahl präsentieren, eine auch nur annähernde Darstellung des elementanalytischen Untersuchungss-umfangs der letzten 35 Jahre wäre zwar imposant, aber doch wohl ermüdend.
Schon 1973 wurden in rund 5% der Bodenproben (ca. 25.000) ein oder mehrere Schwermetalle bestimmt, teils mit der Fragestellung Spurenelementversorgung, teils mit der Fragestellung Schadstoffbelastung, ein Prozentsatz, der nach einem Hoch von rund 10% in den 80er-Jahren, auch heute wieder gilt, allerdings für die doppelte Anzahl Proben. Wohlgemerkt ist dies eine Ausssage für die Schwermetall- und nicht die Elementanalytik, die fast jede Bodenprobe zählen dürfte.
Rund 1000 Schwermetallanalysen steuerte im gleichen Jahr auch schon die Futtermittelanalytik bei, thematisch noch ganz auf Spurenelementsuche. Systematische Arsen-, Blei-, Cadmium- und Quecksilberanalysen an Futtermitteln, den vier unerwünschten Schadstoffen mit Elementcharakter in der heutigen Futtermittelverordnung, wurden dann ab 1977 in Darmstadt in die Routine aufgenommen.
1974 wurde die elementanalytische Geschichte der Versuchsanstalt durch umfangreiche Gefäßversuche zur Blei-, Cadmium- und Quecksilberaufnahme bereichert, wobei Versuche an beiden Standorten angelegt wurden, Quecksilber aber eine Spezialität Darmstadts war. Insbesondere galt das Interesse dem Transferverhalten Boden-Pflanze des toxikologisch bedenklichen Methylquecksilbers. 1974 war auch das Jahr, in dem die Atomspektrometer an beiden Standorten mit Hydrid- und Kaltdampftechnik nachgerüstet wurden.
1975 sah den Beginn der ersten Vegetationsversuche mit Klärschlamm bei besonderem Augenmerk auf Transferfragen von Blei und Cadmium sowie die ersten Schadstoffreihenuntersuchungen an Klärschlämmen und Müllkomposten in Kassel. Analyten waren neben Blei und Cadmium Arsen, Chrom, Kupfer, Mangan, Nickel, Quecksilber und Zink.
1976 wurde in Darmstadt ein langjähriges Untersuchungsprojekt zum Quecksilbermonitoring von Rhein- und Mainfischen aufgelegt, das 1980 um die Elemente Blei und Cadmium erweitert wurde und bei seiner Auswertung 1983 rund 900 Quecksilber- und 250 Blei- und Cadmiumproben umfasste. Auslöser war eine gesetzliche Verordnung von 1975, die erstmals eine Höchstmenge für Quecksilber in Fischen und anderen marinen Organismen festlegte. In guter Tradition zu früheren Darmstädter Methodenentwicklungen bei Probenaufschlüssen (s.o.) wurden verschiedene Aufschlussvarianten entwickelt. Neben einem nur für die Hg-Bestimmung eingesetzten Salpetersäure-Schwefelsäure-Aufschluss im offenen System, bei dem unter Rückfluss und Salpetersäurezuspeisung nahe dem Siede- und Zersetzungpunkt der Schwefelsäure von 340°C aufgeschlossen wurde, wurde noch ein für alle drei Elemente anwendbarer Salpetersäure-Wasserstoffperoxyd-Druckaufschluss (Abb.33) mit einer maximalen Aufschlusstemperatur von 160°C und ein nur für die Cd- und Pb-Bestimmung herangezogener Salpetersäure-Perchlorsäure-Aufschluss mit einer maximalen Aufschlusstemperatur von 220°C geprüft.
  

   

Abb.33 Druckaufschlussbomben 1985

 

Der offene Hochtemperatur- und der Druckaufschluss erwiesen sich im Zusammenhang mit der Kaltdampf-AAS als geeignete Varianten für die Hg-Bestimmung in Fischen. Erfreulicherweise war im Untersuchungszeitraum auch ein stetiger Rückgang des Belastungsgrades zu verzeichnen.
Bei der Blei- und Cadmiumbestimmung konnte der Druckaufschluss zunächst nicht überzeugen. Da unter den gewählten Bedingungen zwar, wie ein Vergleich mit der Perchlorsäurevariante belegte, die Schwermetallverbindungen aufgeschossen wurden, die ganze Probe jedoch insgesamt schlechter, waren die Graphitrohr-AAS-Messungen - über die Technik verfügte die HLVA seit 1977 - stark untergrundgestört. Erst die technische Innovation der sogenannten Zeeman-Untergrundkompensation (Abb.34) für die Graphitrohrtechnik und ihre kommerzielle Verfügbarkeit ab 1980 machten dann den immer mit der Hypothek der Explosionsgefahr behafteten Perchlorsäure-Aufschluss obsolet und den Druckaufschluss für Proben mit vorwiegend organischer Matrix hoffähig.

Und zwar so hoffähig, dass auf der Basis der Darmstädter Ergebnisse dieser Aufschluss Anfang der 80er-Jahre als Verbandsmethode des VDLUFA in das Methodenbuch der 1974 gegründeten Fachgruppe ‚Umweltanalytik’ aufgenommen wurde. Die Fachgruppe ‚Umweltanalytik’ wurde die Heimat der Spurenanalytiker der HLVA und wechselseitig beeinflusste man sich stark, bis schließlich der Fischanalytiker von eben, unser geschätzter E.Janßen, in den 90ern gar ihr langjähriger Vorsitzender wurde.
  

   

Abb.34 Graphitrohrofen mit Zeeman-Untergrundkompensation 1985

 

Die Jahre 1978-85 waren in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft von einer starken Hinwendung zur Schadstoffproblematik ‚Schwermetalle’ geprägt, die mitunter sogar Züge der Hysterie trug. Die HLVA profitierte davon in Form einiger öffentlicher Forschungsaufträge. Wie wichtig das Forschungsgebiet auch im VDLUFA gesehen wurde, demonstrierte das Generalthema 'Schwermetalle in der Nahrungskette - Belastungsgrenzen für Mensch, Tier und Pflanze ' des Kongresses 1982 in Münster.
Vorbereitungsphase, Inkraftsetzung 1983 und Vollzug der ersten deutschen Klärschlammverordnung (KSVO) mit Schwermetallgrenzwerten für Klärschlämme und Böden vervielfachte in kurzer Zeit die Zahl der Schwermetalluntersuchungen insbesondere bei Böden. Die wissenschaftlich begleitete Festlegung von justitiablen Bodengrenzwerten wirkte weit über die Verordnung hinaus, und die Werte fanden vergleichende Anwendung bei einer ganzen Reihe von hessischen Bodenmonitoringprogrammen.
Bodenanalysen von landwirtschaftlichen Flächen nahe Autobahnen waren 1978 eines davon. Bereits Mitte der 60er-Jahre hatte A.Kloke den Verzicht des Anbaus von Nahrungs und Futterpflanzen in größerer Nähe zu stark befahrenen Straßen gefordert, solange Bleizusätze zum Benzin gesetzlich erlaubt blieben. Seine systematischen Pflanzen- und Bodenuntersuchungen zur Thematik, die ersten in Deutschland, führte er noch ohne AAS durch und entwickelte eigens ein kolorimetrisches Bleidithizonatverfahren. Da hatten wir Hessen es ein Jahrzehnt später mit allen Spielarten der AAS ausgestattet erheblich leichter. Im wesentlichen wurden die Kloke’schen Erkenntnisse bestätigt, die hoch belasteten Kontaminationszonen endeten wenige Meter neben den Straßen, bis zum Abstand von 50-100 m waren aber noch Belastungen messbar. Begleitende Pflanzenanalysen und Vegetationsversuche zeigten die teilweise Abwaschbarkeit von Blei und seine gegenüber anderen Schwermetallen vergleichsweise schlechte Pflanzenverfügbarkeit.
1979-81 folgten den Autobahnflächen statistische Bodenbeprobungen von Acker-, Grünland- und Weinbergsflächen sowie aus mutmaßlich belasteten und unbelasteten städtischen Kleingartenanlagen. Insgesamt wurden in Kassel über 3000 Böden auf ihre Gehalte an Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink, die 7 Elemente der KSVO, und Arsen untersucht, darunter 2200 Ackerböden aus der ‚Besonderen Ernteermittlung (BEE)’, einer amtlichen Probenahme, die der jährlichen Überprüfung des Nährstoffstatus hessischer Ackerflächen und der Ernteertragsermittlung diente. Um zu grenzwertvergleichbaren mittleren Schwermetallgesamtgehalten zu gelangen, wurden rund 10% der Proben einem Schwefelsäure-Salpetersäure-Aufschluss unterworfen, sodann alle Proben mit 2 molarer Salzsäure extrahiert, und die extrahierbaren Gehalte mit den Faktoren multipliziert, die sich aus dem Vergleich Gesamtgehalt zu extrahierbarem Gehalt der 10% beiden Methoden unterworfenen Proben im Mittel ergeben hatten. Daraus formte sich ein Bild relativ unbelasteter hessischer Ackerflächen. Es wurde 1983 abgesichert, als von weiteren 1000 Ackerböden aus der ‚BEE’ Gesamtgehalte aus Königswasseraufschlüssen erhalten wurden, die mit den errechneten gut korrelierten.
  

   

Abb.35 Rückflussbatterie für Königswasseraufschlüsse

 

Der Königswasseraufschluss (Abb.35), wie ihn die KSVO beschreibt, hat sich seit 1983 als Standardnassaufschluss der HLVA für Matrices vorwiegend anorganischer Zusammensetzung bewährt. Er liefert annähernde Gesamtgehalte, da Silikate und einige Oxide mit möglichen Schwermetallanteilen nicht aufschließbar sind. Die Anteile gelten jedoch als nicht umweltrelevant. Ein großes Plus des Aufschlusses ist seine gute Reproduzierbarkeit.
Der Standardaufschluss für Matrices vorwiegend organischer Zusammensetzung war über Jahrzehnte allein die trockene Veraschung im Muffelofen. Inzwischen war der Druckaufschluss als Nassaufschluss hinzugekommen. Ab 1980 wurde in Kassel mit einer weitereren trockenen Variante experimentiert, die auf Grund ihrer hochstehenden Technik und Investition eine Erwähnung verdient hat, auch wenn sie sich letztlich als zu akademisch und durch zu geringen Probendurchsatz als ungeeignet für die Routineanalytik erwies. Die Rede ist von der Vakuumtieftemperaturveraschung im angeregten Sauerstoffplasma, kurz: Plasmaveraschung (Abb.36)
  

   

Abb.36 Plasmaverascher 1980

 

Vakuum hieß hier Druck um 1 mbar, Tieftemperatur im Vergleich zur wesentlich heißeren Muffelveraschung eine Maximaltemperatur bis 200°C, thermisch also ein sanfter Aufschluss für empfindliche Proben, gedacht auch, Verluste leichtflüchtiger Schwermetalle auszuschließen, der sein Aufschließvermögen nicht aus der Hitze sondern aus der Oxidationskraft des reinen und hochreaktiven angeregten Sauerstoffs bezog. Die Vollständigkeit der Aufschlüsse wurde in Arbeiten mit Klärschlämmen und Aufwuchs nachgewiesen, indes waren die Veraschungszeiten für ein Standardverfahren nicht tolerabel. Investiert wurde zu Beginn der 80er-Jahre auch in zur optischen Atomspektrometrie alternative Messtechniken. So wurde 1981 in Kassel ein elektrochemischer Messplatz für Polarographie und Inversvoltammetrie (Abb.37) eingerichtet. Mit den beiden verwandten elektrolytischen Techniken konnte Schwermetallanalytik im mg/kg- und µg/kg-Bereich betrieben werden.
  

   

Abb.37 Polarographischer Messplatz 1981

 

Während in Darmstadt die Graphitrohr-AAS seit 1978 intensiv eingesetzt und erforscht wurde, war sie in Kassel probenartbedingt selten in Gebrauch und geriet ab 1981 durch den Einsatz der Inversvoltammetrie fast ins Abseits, da mit dem elektrochemischen Verfahren der aktuelle Probenanfall im µg/kg-Bereich hinreichend bearbeitet werden konnte.
Als die HLVA allerdings 1984 das Darmstädter Schwermetalldezernat samt seinem hohen Probenaufkommen nach Kassel verlegte und mit ihm das leistungsstarke, methodenvalidierte Graphitrohr-Equipment, setzte sich die Atomspektrometrie schnell und eindeutig als Methode der Wahl durch, da sie einen wesentlich höheren Probendurchsatz garantierte. Die elektrochemischen Verfahren blieben noch bis 1990 als Referenzverfahren im Einsatz.
Der wohl langfristig für die Elementanalytik bedeutendste Auftrag aus den Jahren 1978-85 erwuchs aus der Zusammenarbeit der Anstalt mit den hessischen Forstbehörden. Die HLVA übernahm 1979 quasi die Funktion eines hessischen Forstlabors und war fortan am Kampf der ‚Hessischen Forstlichen Versuchsanstalt’ gegen die sogenannten ‚neuartigen Waldschäden’ beteiligt. Anfangs hieß das umfangreiche Programm, das das Land Hessen mit der Einrichtung zahlreicher Messstationen in hessischen Wäldern und der Untersuchung abertausender Boden-, Pflanzen-, Wasser-, Staub- und Luftproben manifestierte, 'Waldschäden durch Immissionen', in den 90er-Jahren wurde es in 'Waldökosystemstudie Hessen' umbenannt, und es gesellten sich die Waldschadensaktivitäten der Europäischen Union  als 'EU-Level I'- und 'EU-Level II'-Programm hinzu. Zu Anfang waren die Schwermetalle in Verdacht, eine der Hauptursachen der Waldschäden zu sein, später setzte sich dann eine mehrfaktorielle Sichtweise durch, die auch biologische Einflüsse berücksichtigte
Für das nach Kassel übersiedelte Dezernat, das im Laufe der 80er-Jahre mit der forstlichen Pflanzen- und Wasseranalytik den Löwenanteil der forstlichen Untersuchungen zu leisten hatte, wurden 1984 und 1985 umfangreiche Investitionen in der Atomspektrometrie getätigt. 3 weitere Graphitrohr-AAS-Geräte mit Zeeman-Untergrundkompensation und ein zentrales Steuerungs- und Datenverarbeitungssystem machten das Messlabor zu einem der schlagkräftigsten elementanalytischen Labore im VDLUFA. Abb.38 lässt uns einen Blick in das neu eingerichtete Labor werfen.
Auch das angestammte elementanalytische Dezernat, das die forstliche Boden- und Staubanalytik per Flammen-AAS bearbeitete, durfte sich über Investitionen bei Gasversorgung, Abluftanlage, Abzugstechnik für Königswasseraufschlüsse und Datenverarbeitungsystemen freuen.

   

Abb.38 Graphitrohr-AAS-Labor 1985

 

Die umfangreiche elementanalytische Aufrüstungsphase traf sich im übrigen kongenial mit dem Erscheinen und den Möglichkeiten des Personalcomputers. Der Automatisierung der Analysengeräte diente der Mikroprocessor bereits seit einem Jahrzehnt. Nun veränderte sich sein Wirken von interner zu externer Steuerung. Gleichzeitig nahm die Vielfalt der Software zu. Diese Entwicklung bei der AAS und der Kauf des ersten ICP-Atomemissisonspektrometers 1988 (Abb.30) ermöglichte einen vorher nicht für möglich gehaltenen Durchsatz, der, die Elementeinzelanalysen beider Dezernate zusammengerechnet, zum Ende des Jahrzehnts nach Hunderttausenden zählte.
1984 konnte die HLVA nicht zuletzt aus der Entwicklung der Umwelt- und Spurenanalytik heraus die vorgesetzten Dienststellen von der Notwendigkeit eines Laborneubaus in Kassel überzeugen. Nach dreijähriger Planungsphase unter intensiver Berücksichtigung des analytischen Knowhows der HLVA wurde das neue, technisch hochgerüstete Laborgebäude ab 1987 vom Hessischen Staatbauamt errichtet und 1991 übergeben. Bis 1997 folgten noch Modernisierungen, die das alte Gebäude an den technischen Stand des Neubaus anpassten.
  

   

   

Abb.39 Mikrowellenbeheiztes
 Druckaufschlusssystem 1991

Abb.40 Hochdruckaufschluss-
system 1991

Neben dem raumtechnischen Quantensprung war es der Elementanalytik 1991 auch noch einmal vergönnt, großzügige Geräteinvestitionen aus dem Bautitel zu erhalten, die in die Beschaffung verschiedener instrumenteller Aufschlussapparaturen (Abb.39/40), Elementaranalysatoren (Abb.41/42) und des ersten ICP-Massenspektrometers flossen. Nicht ohne Stolz verwiesen die Dezernenten der beiden Dezernate Anfang der 90er-Jahre auf ihren gemeinsamen Gerätepark im Beschaffungswert von rund 3 Mio. DM.
  

   

   

Abb.41 Kohlenstoffanalysator 1991

Abb.42 Stickstoffanalysator 1992

Der mikrowellenbeheizte Druckaufschluss (Abb.39) löste den oben gezeigten elektrothermisch beheizten Druckaufschluss in Bomben (Abb.33) bei ansonsten wenig veränderten Aufschlussbedingungen ab, der Hochdruckaufschluss (Abb.40) verkörperte das gleiche Aufschlussprinzip, ermöglichte aber wesentlich höhere Aufschlusstemperaturen über 300°C, die sich als erforderlich für die Zerstörung bestimmter element-organischer Bindungen herausgestellt hatten, z.B. solcher des Arsens in marinen Futtermitteln.
Mit den Elementaranalysatoren zur C- (Abb.41) und N-Bestimmung (Abb.42) kehrte die uralte Dumas'sche Verbrennungsanalytik (s.o.) in die HLVA zurück und löste nasschemisch-oxidative C- und Kjeldahl-N-Bestimmungen hauptsächlich in der Bodenanalytik ab. Beide Geräte veraschten die Proben in reinem Sauerstoff und bestimmten die Verbrennungsprodukte Kohlendioxid (CO2) bzw. Stickstoffdioxid (NO2) infrarotspektroskopisch bzw. über die Veränderung der Wärmeleitfähigkeit eines Trägergasstromes. Vor über 100 Jahren hießen die Bestimmungsverfahren Gravimetrie bzw. Gasvolumetrie, die Verbrennung und Aufreinigung der flüchtigen Verbrennungprodukte folgte aber damals schon dem gleichen Prinzip wie heute.
Die ICP-MS wurde ab 1993 mehr und mehr Arbeitspferd der Spurenanalytik und ersetzte sukzessive die Graphitrohr-AAS, die es aber für bestimmte Elemente wie Eisen, Chrom und Nickel, die in der Massenspektrometrie interferierenden Störungen unterworfen waren, nach wie vor und als Referenzverfahren brauchte. Das Schwermetallmesswesen beider elementanalytisch tätiger Dezernate verlagerte sich nun durch die moderne ICP-Ausrüstung immer mehr auf das von Darmstadt gekommene Dezernat.
Trotz in den 90er-Jahren weiterhin und durchaus stark steigender Probenzahlen, die sich zum Großteil aus weiter laufenden amtlichen Aufträgen speisten, neigte sich in diesem Jahrzehnt die Aera der politisch überproportional beachteten anorganischen Schadstoffanalytik sanft dem Ende zu. Ein Ereignis, das schon schlagartig die öffentliche Sichtweise über Umweltbedrohungen veränderte, war dabei sicher die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986.
Auch war inzwischen klar, dass Schwermetalle nicht die Hauptverursacher der forstlichen Schäden waren und das diesbezügliche Aufkommen an Aufwuchs- und Bodenproben ließ nach. Dem voraus gegangen war allerdings 1992/93 als Sonderprogramm noch die 1. bundesweite forstliche Bodenzustandserhebung (BZE I) mit rund 900 Böden von 140 hessischen Rasterstandorten und rund 30.000 Einzelelementuntersuchungen, die ganz aktuell in 2007 als Trendstudie 'BZE II' mit den gleichen Beprobungspunkten wiederholt wird. Weiterhin unvermindert blieb zunächst das Interesse der forstlichen Forschung an der Hydrologie. Jährlich 5.000 bis 6.000 forstliche Wasserproben mit 100.000 -120.000 Einzelelementanalysen sorgten mit für eine nimmermüde ICP-AES und ICP-MS.
1997 übernahm E.Janßen die Leitung der Anstalt, und die beiden Dezernate wurden unter der Leitung des Chronisten vereint.
Etwa Mitte der 90er-Jahre begann eine Zeit, die bis heute anhält, die von leereren öffentlichen Kassen, Personalabbau, Aufgabenkritiken, Umorganisationen und bürokratischen Auflagen geprägt wird. Das hatte auch Konsequenzen für die Schlagkraft der Elementanalytik. Relativ zufrieden mit den verbliebenen investiven Möglichkeiten (s. Abb.43/44/45) und mit gewissem Glück bei der Altersstruktur der MitarbeiterInnen in der Elementanalytik auch von der Personalreduzierung weniger betroffen als andere Bereiche - wobei die Schließung der Anstalt in Darmstadt 1999 mit lediglich torsoartiger Verlegung der Reste nach Kassel hier wohl das augenfälligste Ereignis war -, wurde jedoch die verfügbare Zeit zu innovativer und kreativer Beschäftigung mit der Materie Spuren- und Elementanalytik - es darf auch Angewandte Forschung dazu gesagt werden - durch vielfältige von Politik und Verwaltung hereingetragene Beschäftigungszwänge so eingeengt, dass nicht viel mehr als die ‚übliche Routine' übrig blieb und mit gewisser Sehnsucht auf die Jahrzehnte geblickt werden muss, in denen in der Elementanalytik wissenschaftlich etwas bewegt werden konnte und auch aus vorgesetzten Dienststellen fachliches Verständnis und nicht nur Kostenanfragen kamen.
  

 

 

Abb.43 ICP-Atomemissionspektrometer
 1998

Abb.44 Mikrowellenbeheiztes
 Hochdruckaufschlusssystem 2004

  

 

Abb.45 ICP-Massenspektrometer mit
Kollisionszelle 2003

Zu den Beschäftigungszwängen zählt trotz seiner die Analytik durchaus befruchtenden Teile auch das Qualitätsmanagement, da es sich fort von der Befruchtung, die bei der erfolgreichen Akkreditierung der HLVA 1998 nach der damaligen Norm DIN 45001 noch spürbar war, mit der DIN EN ISO 17025 doch zu einem Dokumentenmoloch mauserte. Die Elementanalytik ist mit über 70 Prüfverfahren akkreditiert und steuert dementsprechend fleißig Dokumente bei. Hochwertige Qualitätssicherung war auch vor der Akkreditierung schon Maxime, wie jahrzehntelange, umfangreiche Teilnahmen an Ringuntersuchungen und Methodenentwicklungen belegen können. Nur sind Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement leider oft zweierlei Ding. Der hier Kritik übt, hat das Haus mit gewissem Stolz in die Akkreditierung geführt und fungiert auch heute noch als sein Qualitätsmanagementbeauftragter, eigentlich also ein Motivierter.
Die skeptische Sichtweise wäre möglicherweise gedämpfter, wenn das Qualitätsmanagement der einzige das Fachliche beschneidende Faktor geblieben wäre.
Doch zu schultern waren und sind Privatisierungsplanspiele Ende der 90er, zwei betriebliche Umorganisationen infolge Einbindung in das neugegründete Hessische Dienstleistungszentrum für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz (HDLGN) 2001 und 2005 bereits wieder  in den neugegründeten Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) mit jeweils umfangreichen organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Veränderungen, die Einführung einer betriebswirtschaftlichen Software (SAP) 2001 und deren Neuanpassung 2005 und eine die gesamte bestehende fachliche Datenbankstruktur verändernde Einführung eines neuen Labor- und Informationsmanagementsystems (LIMS) 2007, um nur die wichtigsten zu nennen.
Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts, das 15. der Anstalt, bot und bietet an Nichtfachlichem also einige Abwechslung.
Doch lassen wir das dritte halbe Jahrhundert mit Fachlichem ausklingen.
Von 2000 bis zur Eingliederung der Anstalt in das LHL wurden die in Tabelle Abb.46 gelisteten jährlichen Untersuchungsleistungen erbracht.
  

Jahr

2000

2001

2002

2003

2004

Messungen 

191.000

185.000

193.000

190.000

165.000

                       Abb.46 Zahl der Elementbestimmungen 2000 - 2004 

Das sind stolze Zahlen. In die Summen sind keine Mehrfachbestimmungen und Messungen des Qualitätsmanagements (Ringuntersuchungen, Gerätekalibrierungen, Validierungen) eingerechnet. Das gilt auch für 2003, in dem die erfolgreiche Reakkreditierung der Anstalt gelang.
Mit dem Rückgang der Analysen 2004 kündigte sich der Ausstieg der hessischen Forstwirtschaft aus der 26 Jahre währenden Liaison mit der Anstalt an. Die Gründung einer forstwissenschaftlichen Einrichtung durch mehrere Bundesländer, darunter auch Hessen, die ihr Labor außerhalb Hessens wählte, beendete 2005 mit Ausnahme der noch laufenden Arbeiten an der BZE II die langjährige, fruchtbare und für die Elementanalytik beschäftigungsreiche Zusammenarbeit. Der Verlust der Forstproben reduzierte die Probenzahl um rund 1/5 und die Einzelelementbestimmungen um rund 1/4.
Einen Ausgleich, nicht ganz an Menge, aber doch an Vielfalt der Probenarten und neuen Untersuchungsmethoden bot ab 2006 die Übernahme der Elementanalytik für Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Kosmetika im gesamten neuen Landesbetrieb. In Marburg und Kassel-Harleshausen war die Lebensmittelanalytik schon einmal vom ausgehenden 19.Jahrhundert bis 1957 beheimatet gewesen und mit der neuen Zuständigkeit kehrte so etwas wie ein Stück vom verlorenen Kinde heim.
So endete das Untersuchungsjahr 2006 mit einer Gesamtprobenzahl von rund 20.000 bei rund 140.000 Einzelelementbestimmungen.
Das zeigt auch, dass Nichtfachliches noch nicht die Oberhand gewonnen hat. So konnten wir uns auch in den letzten Jahren über schöne analytische Erfolge freuen, so z.B. in der Selen- und Arsenanalytik mit der Eigenentwicklung einer speziellen Hydrid-Graphitrohr-AAS-Kopplung für die Selenbestimmung und einer methodischen Entwicklung für die Arsenbestimmung, die die Möglichkeiten des mikrowellenbeheizten Hochdruckaufschlusses (Abb.44) und der Kollisionszellentechnik der neuen ICP-MS (Abb.45) kombinierte. Die letzte apparative Errungenschaft war 2006 ein Röntgenfluoreszenzspektrometer, das nun erfolgreich in der Futtermittelelementanalytik seinen Dienst tut.
Das dritte halbe Jahrhundert veränderte die Laborlandschaft entscheidend, es machte sie instrumentell und digital, leistungsfähig, aber auch teuer. Die Elementanalytik war einer der Protagonisten. Der Chronist und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind stolz, diese Entwicklung ein Stück begleitet zu haben.

Schlusssatz

Der erste Naturforscher, der Metalle und Mineralstoffe analytisch beackerte, soll Georg Agricola (1494-1555) gewesen sein. Wenn das kein Omen war? (agricola (lat.): Bauer, Landwirt)

Literatur

Dem Originalbeitrag in der o.g. Festschrift ist ein umfangreiches Literaturverzeichnis angefügt. Auf Anfrage an eine der auf der Startseite angegebenen Mailadressen des Autors kann es angefordert werden.